: Goldene Jahre für Peer Steinbrück
2006 sank das deutsche Defizit auf 1,9 Prozent. Bundesregierung hält den Maastricht-Vertrag erstmals seit 2001 wieder ein. Staatsquote mittlerweile auf Niveau des schlanken britischen Staates. Aber: Sparen will der Bundesfinanzminister auch künftig
VON HANNES KOCH
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat großes Glück. Seit seinem Amtsantritt werden die Zahlen des Bundeshaushalts unablässig besser. Gestern präsentierte er den Abschluss für 2006: Erstmals seit 2001 lag das gesamtstaatliche Defizit in Deutschland mit 1,9 Prozent wieder unter dem Schuldenkriterium des Stabilitätspakts von Maastricht. 2006 hat Steinbrück nicht wie ursprünglich geplant 38 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen, sondern nur knapp 28 Milliarden.
Die vergleichsweise positive Entwicklung führte der Finanzminister auf das unerwartet hohe Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent, die dementsprechend höheren Steuereinnahmen und geringeren Ausgaben zurück. Aber nicht nur dem Bund geht es finanziell besser, auch die Bundesländer konnten ihr Defizit halbieren, die Kommunen sogar Überschüsse erzielen. Steinbrück äußerte die Hoffnung, dass die Europäische Kommission ihr Verfahren gegen Deutschland wegen des Verstoßes gegen den Maastricht-Pakt im Sommer einstellen werde.
Aber der relative finanzpolitische Erfolg des Jahres 2006 beruhe eben nicht nur auf Glück, reklamierte Steinbrück: „Wir haben einen konjunkturstützenden Haushalt gemacht“. Die große Koalition habe ihre Priorität nicht nur beim Sparen, sondern auch beim Investieren gesetzt. Ohne die geplante Neuverschuldung von 38 Milliarden Euro wäre die ökonomische Erholung schwächer ausgefallen, so Steinbrück. Der Finanzminister sieht sich selbst in einer Doppelfunktion – als sparsamer Kassenwart und als makroökonomisch denkender Volkswirt.
Seinen konservativen Kritikern, die immer das Sparen an erste Stelle setzen wollen, hielt Steinbrück gestern entgegen, dass die deutsche Staatsquote in diesem Jahr ohnehin auf das „Niveau des Vereinigten Königreiches“ sinken werde. Soll heißen: Der vermeintlich fette deutsche Staat ist mittlerweile ähnlich schlank wie der liberale britische. 2007 verteile die öffentliche Hand weniger als 46 Prozent der hiesigen Wirtschaftsleistung um.
Wobei man wissen muss: Nach den wirtschaftsfreundlichen Reformen der Konservativen in den 1980er Jahren ist die Staatsquote Großbritanniens in der Regierungszeit des britischen Labor-Premierministers Tony Blair unter anderem durch höhere Bildungsausgaben wieder angestiegen. Der Neoliberalismus ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Und wann ist es in Deutschland soweit? Eigentlich interessiere ihn die abstrakte Zahl der Staatsquote gar nicht so sehr, ließ Steinbrück wissen. Vielmehr wolle er erreichen, dass das vorhandene Geld „richtig“ ausgegeben werde. Auch mit geringen Summen könne man Erfolge erzielen.
Für die nächste Zukunft warnte der Finanzminister: „Die guten Zahlen suggerieren nur Spielräume.“ In Wirklichkeit seien diese aber noch lange nicht vorhanden. Daher sei es notwendig, die Neuverschuldung weiter zu drücken. In diesem Jahr sind nur noch 19,6 Milliarden Euro neue Kredite geplant – eine „Annäherung an die Nulllinie“, so Steinbrück.
Diese Absicht hat schon Steinbrücks Vorgänger, Finanzminister Hans Eichel, verfolgt. In der Euphorie des Aufschwungs um das Jahr 2000 legte sich der damalige Finanzminister allerdings fest, bis zu welchem Zeitpunkt genau er das staatliche Defizit auf „nahe null“ reduzieren wollte.
Diesen Fehler macht Steinbrück nicht. Er habe kein Interesse daran, die „Latte auf 2,40 Meter zu legen“, sagte er. „Wenn ich dann nur 2,35 Meter hoch springe“, würden die Medien berichten, er sei gescheitert – „obwohl 2,35 Meter angesichts meiner leichtathletischen Fähigkeiten sensationell gut wären.“