: Mogadischu: „Es riecht nach Vergeltung“
Zunehmende Angriffe auf Somalias Regierung und Äthiopiens Armee in Reaktion auf US-Luftangriffe im Süden des Landes. Regierung ruft Kriegsrecht aus. Die Hauptstädter sehnen sich nach dem Frieden zurück, den die Islamisten gebracht hatten
AUS MOGADISCHUILONA EVELEENS
Somalias Übergangsparlament hat für drei Monate einen Belagerungszustand im Land bestätigt. Premierminister Ali Mohammed Gedi hatte darum gebeten, nachdem die Gewalt in der Hauptstadt Mogadischu immer mehr zunahm. Immer öfter kommt es zu Anschlägen auf Regierungssoldaten, Polizeiposten und äthiopischen Truppen in Reaktion auf die US-amerikanischen Bombardierungen im Süden des Landes letzte Woche, die sich gegen al-Qaida richteten, aber vor allem Zivilisten töteten.
„Es riecht nach Vergeltung“, meint Hiddiq Ahmed, ein Lehrer in Mogadischu. „Es ist bemerkenswert, dass die ersten Anschlage auf Regierungsziele am Tag nach den ersten amerikanischen Bombenangriffen im Süden kamen.“ Er steht mit anderen gegen eine Mauer gedrückt. Ab und zu schauen sie um die Ecke in der Richtung der Straße, wo gerade geschossen wird. „Die amerikanischen Angriffe verschlechtern die Lage im Land nur noch mehr. Es ist, als ob sie mit Raketen Mücken töten wollen“, meint Friedensaktivist Abdullahi Shirwa.
Seit die Islamisten Ende Dezember die Kontrolle über Mogadischu verloren, ist dort ein Machtvakuum entstanden. Die äthiopischen Streitkräfte halten sich im Hintergrund. Die Armee der somalischen Regierung ist allerdings schlecht trainiert, und Streitigkeiten zwischen Somalias Clans kommen wieder an die Oberfläche. Als Präsident Abdullahi Yusuf und Premierminister Gedi mit fünf der wichtigsten Kriegsherren im Präsidentenpalast Besprechungen führten, kam es draußen zu Kämpfen zwischen der Miliz von einem der Kriegsherren und der Regierungsarmee.
So sehnen sich viele Bewohner Mogadischus nach den Islamisten der Union Islamischer Gerichte (UIC) zurück, die erst im Juni letzten Jahres die Kriegsherren aus der Stadt vertrieben hatten. „Ich war öfters wütend mit den Gerichtshöfen“, erzählt Lehrer Hiddiq Ahmed. „Sie verboten meiner Frau, mit mir und den Kindern zum Strand zu gehen. Sie sollte zu Hause bleiben, nur weil sie eine Frau war. Aber als die Gerichtshöfe hier die Kontrolle ausübten, war es friedlich. Ich konnte bis spät in die Nacht über die Straße gehen.“
Friedensaktivist Abdullahi Shirwa stimmt zu: „Ich kann sagen, dass 90 Prozent der Somalier zufrieden waren mit der Kontrolle der UIC. Die Bevölkerung ist der UIC dankbar gewesen für die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung und das Verjagen der Kriegsherren, die verantwortlich waren für die Anarchie. Und die Union hätte noch immer die Macht, wenn extreme Elemente innerhalb der Gruppe nicht auf so eine diktatorische Art und Weise eine strenge Version des islamischen Rechts durchgesetzt hätten.“ Er deutet auf die Gerüche aus der Küche: „Es ist gegen Abend, aber jetzt erst kochen wir das Mittagessen. Wie konnten die ganze Nacht und heute bis vor einer Stunde nicht nach draußen, wegen der Kämpfe in unserem Viertel.“
Nach Shirwas Angaben waren die radikalen Elemente in der UIC vor allem junge Somalis, die in arabischen Ländern wie Saudi-Arabien studiert hatten. Sie übernahmen die Macht innerhalb der Union von den gemäßigten Führern. „Die junge Menschen, versammelt in der Shabaab-Gruppe, waren so arrogant zu glauben, dass sie mit kleinen Waffen einen konventionellen Krieg gegen Äthiopien gewinnen können, das die beste Armee der Region hat. Die UIC hat aber etwas Besonderes erreicht in der somalischen Geschichte. Es gelang ihr, die Somalis in ihrem Wunsch nach Frieden zu vereinen, wodurch die Clanunterschiede zeitweilig vergessen wurden.“