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Archiv-Artikel

Ölpest bedroht Vogelreservat

Zyprischer Frachter verunglückt vor der norwegischen Küste. 300 Tonnen Rohöl sind ins Meer geflossen. Tausende Vögel sind gefährdet. Umweltverbände fordern seit Jahren, die stark befahrenen Schifffahrtsstraßen weiter in die offene See zu verlegen

„Wir können froh sein, dass das zyprische Schiff kein Öltanker gewesen ist“

AUS STOCKHOLMREINHARD WOLFF

Dem Schiffsunglück folgt die Ölpest: Bei schwerer See ist am Freitag der zyprische Frachter „Server“ vor der norwegischen Küste auf Grund gelaufen und in zwei Teile zerbrochen. Dabei traten nach Angaben norwegischer Rettungskräfte am Samstag mehrere hundert Tonnen Öl aus. Alle 25 überwiegend indonesischen Seeleute konnten per Hubschrauber nach Bergen geflogen werden. Das Frachtschiff – unterwegs ins russische Murmansk – hatte etwa 650 Tonnen Öl an Bord, 300 davon seien ins Meer geflossen.

Als „dramatisch“ beurteilt gestern die norwegische Küstenwache die Unglücksfolgen: Erste Ölteppiche hatten bereits am Samstag die Strände einiger nahe der Unglücksstelle liegender Inseln erreicht. Unter anderem die Insel Herdla, die mit einem Bestand von 220 Arten zu den reichsten Vogelschutzgebieten Norwegens zählt.

„Von den Umweltauswirkungen müssen wir die jetzige Havarie wohl mit dem ‚Rocknes‘-Unglück vergleichen“, glaubt Arne Eide Kjæraas, Sprecher der norwegischen Küstenwache. Die Ölpest nach dem Kentern des deutschen Frachters „Rocknes“ im Januar 2004 hatte mehrere Kilometer Strand betroffen und erforderte sechs Monate dauernde Sanierungsarbeiten. Mit Kosten von über 10 Millionen Euro war es die bislang aufwändigste Ölsanierungsaktion in Norwegens Geschichte. Damals waren 226 Tonnen Schweröl ins Meer geflossen. Der Bestand an nistenden Vögeln in dem fraglichen Gebiet wurde schwer getroffen und ging in der Folge um fast ein Drittel zurück.

Umweltschützer befürchten aufgrund des „Server“-Unglücks nun ähnliche Folgen und tausende von toten Vögeln. Nur wenige Kilometer südlich der Havariestelle liegt nämlich ein Gebiet mit vielen überwinternden Seevögeln. Kurt Oddekalv, Vorsitzender der Umweltschutzorganisation Miljøvernforbundet fürchtet, dass dieses Nistgebiet auf Jahrzehnte hinaus zerstört sein könnte. Und Lars Haltbrekken vom Naturschutzverband Norges Naturvernforbund bezeichnet das Unglück als „leider vorhersehbar“: „Das haben wir befürchtet, und es zeigt wie gefährlich der ständig wachsende Schiffsverkehr vor den Küsten ist.“ Man könne froh sein, dass das zyprische Schiff kein Öltanker gewesen sei, welcher hier auf Grund lief. Umweltschutzorganisationen fordern seit Jahren die Schifffahrtsstraßen weiter vom Land entfernt in die offene See zu verlegen.

In ersten Reaktionen beschuldigte die Küstenwache den „Server“-Kapitän, zu spät die Probleme mit dem Schiffsantrieb gemeldet zu haben. Auf dem Radar habe man verfolgen können, dass der Frachter schon einige Zeit weit vom normalen Kurs abgekommen war. Doch habe der griechische Kapitän auf Anfragen erst überhaupt nicht reagiert und dann mitgeteilt, alles sei in Ordnung. SOS sei von ihm – offenbar um nicht unnötig eine für die Reederei teure Rettungsaktion zu veranlassen – erst gefunkt worden, als es bereits zu spät war und die Küstenwache von sich aus Schlepper in das betreffende Seegebiet geschickt hatte. Sie konnten die Havarie aber nicht mehr verhindern.