: Bahn schüchtert Kläger mit hohen Kosten ein
DB Netz AG versucht, Gutachterkosten auf Gegner des geplanten neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs abzuwälzen
BERLIN taz ■ Ein Rechtsstreit gegen die Bahn kann teuer werden. Gegner des Stuttgarter Bahnhofsprojektes „Stuttgart 21“ bekommen dies nun zu spüren. Die DB Netz AG fordert von ihnen Gutachterkosten in Höhe von weit über 100.000 Euro ein.
Die Kläger, zwei Privatpersonen und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), hatten im vergangenen April ihre Klage gegen den ersten Bauabschnitt des geplanten Tunnelbahnhofes vor dem Verwaltungsgericht Mannheim verloren. Die beiden Privatkläger befürchten Schäden an ihren Häusern, weil unter den Gebäuden die Gleise zum Bahnhof gelegt werden sollen. Der BUND hat Umweltschutzbedenken geltend gemacht.
Nun sollen der BUND 60.000 Euro, die Privatkläger jeweils bis zu 27.700 Euro Gutachterkosten an die Bahn überweisen. So steht es in den Kostenfestsetzungsanträgen der Bahn an das Mannheimer Verwaltungsgericht, die der taz vorliegen. Armin Wirsing, Anwalt der Kläger, vergleicht das Vorgehen der Bahn mit einem „Manöver“, das einem einfachen Zweck dienst: Abschreckung. „Dass in dieser Größenordnung Gutachterkosten auf die Kläger abgewälzt werden sollen, habe ich noch nicht erlebt.“
Michael Spielmann, Geschäftsführer des BUND Baden-Württemberg, hält die Bahn-Rechnung für „absurd“. Sollte die Bahn damit durchkommen, sei der „Willkür Tür und Tor geöffnet“. Im Zweifelsfall würde dann schon die Drohung reichen, einen Prozess mit ein oder mehreren Gutachtern zu bereichern, um ein Gerichtsverfahren zu verhindern. In der Regel müssen die unterlegenen Parteien für die Prozesskosten aufkommen. Dazu gehören meiste die Gerichts- und die Anwaltskosten der Gegenseite. Unüblich ist es, auch sogenannte Privatgutachten auf die Kostenliste zu setzen. Wolf-Rüdiger Schenke, Verwaltungsrechtler an der Uni Mannheim: „Privatgutachten sind prinzipiell nicht erstattungsfähig.“ Völlig ausgeschlossen ist das aber nicht. Die Kosten für Privatgutachten können der unterlegenen Seite dann aufgebürdet werden, wenn die betreffende Partei ohne die Gutachten „außer Stande wäre, sich sachgerecht mit dem Vorbringen des Gegners […] auseinanderzusetzen“, urteilte das Oberlandesgericht Köln.
Den Vorwurf, die Bestellung der Gutachter sei ein Beleg für den mangelnden Sachverstand in der DB Netz AG, wies ein Sprecher des Unternehmens gegenüber der taz zurück. Zu speziellen Fragen aber werde regelmäßig auf externen Sachverstand zurückgegriffen. Den Vorwurf, weitere Kläger abschrecken zu wollen, wies er so zurück. „Wir hätten die Gutachten nicht benötigt, wenn wir nicht beklagt worden wären.“ THORSTEN DENKLER