: Hegemanns Erfahrungsräume
Dimitri Hegemann, „Tresor“-Gründer, Macher und Visionär, arbeitet am nächsten Mammutprojekt: In einem alten Kraftwerk an der Köpenicker Straße will er den Tresor im März neu eröffnen – unter einem riesigen neuen Kunstraum. Ein Ortstermin
VON TIMO FELDHAUS
Dimitri Hegemann steht im Keller des alten Vattenfall-Gebäudes an der Köpenicker Straße, in der vielleicht letzten Industrieruine in Berlin-Mitte. Da hier unten noch kein elektrisches Licht re-installiert ist, leuchten wir uns den Weg mit den Displays unserer Handys. Hegemann steht auf einer leichten Erhöhung, von der aus man den ganzen Raum überblicken kann. „Hier wird der DJ stehen.“ In solchen Momenten hat der 51-Jährige das euphorische Gesicht eines kleinen Jungen, der sich etwas in den Kopf gesetzt hat und der seine Pläne durchführen wird. Sein Gesicht wird sich im Laufe des Tages noch häufig so verwandeln.
1991 hat er den sagenumwobenen Technoclub Tresor ins Leben gerufen. An der Leipziger Straße in der Nähe des Potsdamer Platzes hat er über 15 Jahre gegen die Schließung des Clubs gekämpft und nebenbei ein Stück der Geschichte mitgeschrieben, die Berlin auf der ganzen Welt ausmacht und die zumindest im Fall Tresor 2005 in einer mehrtägigen Party endete. Nun, als Mieter des vierstöckigen und 20.000 Quadratmeter großen alten Kraftwerks, ist sein Plan ein etwas anderer, größerer. Projektname: „Modem“. Hegemann möchte seinen Club mit den drei Einheiten aus Tresor, Globus und Tuna Bar wiederaufbauen. Aber das ist noch nicht alles. „Der Tresor im Keller wird nur fünf Prozent des ganzen Gebäudes einnehmen. Die Clubs sollen reanimiert werden, der eigentliche Fokus liegt aber auf der Entwicklung einer riesigen Ausstellungsfläche für Kunst. Das ist die Herausforderung, da will ich einen Akzent setzen in Berlin, so etwas gibt es hier noch nicht.“
Seit fünf Jahren ist das Heizkraftwerk Mitte entkernt. Es wurde 1962, im gleichen Jahr wie die Mauer, gebaut und kurz nach dem Mauerfall außer Betrieb gesetzt. Während Hegemann mir eine Führung durch die Noch-Ruine gibt, laufen uns immer wieder Architekten über den Weg. Die arbeiten im Moment daran, ein Stockwerk des monströsen Raums für eine am 26. Januar beginnende „Bread and Butter“-Veranstaltung vorzubereiten. Der erste Event hier – und ein guter Deal für Hegemann, denn die Modemesse baut wichtige, nachhaltig nutzbare Dinge ein wie Sicherheitstüren, Geländer, Treppen. Sie wird aber von diesem Raum auch profitieren: Die Raumwirkung, die wahnsinnige Größe, die Spuren riesiger Turbinen – das rissige Mauerwerk hat eine Zerfallspatina, die sehr lebendig wirkt. An retro-futuristische Science-Fiction-Filme erinnert. Der Schalterraum im obersten Stockwerk erscheint wie die Zentrale aus einem alten Raumschiff. Begeistert sagt Hegemann: „Der Raum ist schon das Kunstwerk. Er soll genauso bleiben, wie er jetzt ist. Die Spuren der Vergangenheit sollen sichtbar bleiben. Ich mache es nur sauber und verkehrssicher. Dann aber kommt die Aufgabe für einen Lichtkünstler, diesen Raum zu designen.“
Vor drei Jahren hat Hegemann in der alten Turbinenhalle des Tate Modern in London das „Weather Project“ von Olafur Eliasson gesehen und war beeindruckt von der „Tiefe und magischen Wirkung eines Objekts“. Jetzt möchte Hegemann ins Kraftwerk einen Parcours bauen, über mehrere Stockwerke, täglich begehbar, einen „Erfahrungsraum“, einen Lichtinstallations-Kunst-Ort als „städtischen Ruheraum“, ganz ohne Musik. Sinnigerweise nennt er ihn „Quiet Room“. Hegemann denkt sich sein „Modem“ als Experimentierfeld für die Kunst, als einen riesigen Rahmen für zeitgenössische Kunst in Berlin – vielleicht sogar als Antwort auf die von Wowereit geforderte Kunsthalle. Er rückt sich damit auch in den spätestens von Florian Illies und seinem Magazin Monopol angestoßenen Diskurs über den Bau einer Kunsthalle auf dem Schlossplatz. Er sagt, es wäre möglich, mit dem „Modem“ eine Lücke zu schließen zwischen etablierten Kunsthäusern und der Kleingalerienszene. Und ergänzt: „Ich kann mir auch Kooperationen mit staatlichen Stellen vorstellen. Und größere Ausstellungen temporär hier zu präsentieren.“
Nach der Führung durchs Kraftwerk fahren wir zum Termin mit den Berliner Wasserwerken. In einer Mischung aus charmanter Ungezwungenheit, jungenhaftem Leichtsinn und geschäftiger Exaktheit redet er mit den Zuständigen. Am liebsten regelt er alles selbst, heute eben Anschlüsse und Warmwasserversorgung. Mit Dimitri Hegemann unterwegs zu sein, fühlt sich immer irgendwie schnell und effizient an. Schnell muss es jetzt aber auch gehen. Im März soll der Tresor seine Türen öffnen, der „Quiet Room“ kurz danach. Nachdem wir noch bei einem Schreiner waren, um den Bau von Sitzbänken für sein neues Restaurant „Waldhaus“ im Grunewald zu organisieren, sitzen wir am Ende des Tages in Hegemanns wüstenfarbenen alten Landrover auf einem Parkplatz. Er erzählt von seinem „Modem“ und auch noch von Land-Art-Projekten in der Uckermark, die, wie er sagt, auch schon weit fortgeschritten sind. Wenn der Macher Hegemann redet, hat man manchmal das Gefühl, seine Pläne entstehen erst mit dem Satz, den er gerade ausspricht. Und sind trotzdem immer schon Teil eines inneren Lebensplanes.
„Ich würde gerne eine neue Haltung schaffen. Mit mehr Nachhaltigkeit an eine Idee rangehen und nicht nur vom Profitdenken geleitet sein. Unter diesem Aspekt möchte ich auch den neuen Ort denken, als Freiraum, der eigenen Regeln unterliegt. Leute sollen ästhetisiert werden. Das hört sich vielleicht komisch an, aber ich möchte mehr Qualität und Sinnstiftendes. Mehr Gandhi als 9Live. Auch wenn ich nichts mit Esoterik zu tun hab: Ich möchte Leute glücklich machen.“