Einwanderungsreform im Koma

BLOCKADE Bush wollte sie, Obama will sie, Fortschritte aber gibt es bis heute keine. Der rechte Flügel der Republikaner verhindert seit Jahren nötige Änderungen des US-Migrationsrechts

NEW YORK taz | Die angekündigte „umfassende Einwanderungsreform“ ist wieder einmal gescheitert: Der Kongress zieht nicht mit. Stattdessen erwägt US-Präsident Barack Obama jetzt eine Politik der kleinen Schritte. Doch wie diese aussehen sollen, hat er nicht präzisiert. Fürs Erste verlangt er zusätzliche zwei Milliarden Dollar vom Kongress für den Umgang mit den Kindern aus Zentralamerika. Von Sozialarbeitern, Notunterkünften und Abschiebungen ist die Rede.

Zugleich appelliert er an Regierungen in Zentralamerika und an Eltern, keine unbegleiteten Kinder auf die gefährliche Reise zu schicken. Sein eigener Umgang mit dem Problem bleibt unklar: Auf der Tagesordnung seiner Texas-Reise Mitte dieser Woche steht bislang weder ein Besuch an der Grenze noch in einer der Notunterkünfte.

Aus beiden politischen Lagern bekommt Obama dafür Kritik. Die Republikaner tun so, als wären die 52.000 zentralamerikanischen Kinder ebenso wie Obama selbst ein Sicherheitsrisiko: „Dem Präsidenten ist es nicht wichtig, ob die Grenze sicher ist“, sagt der republikanische Gouverneur von Texas, Rick Perry.

Auch Demokraten kritisieren Obama. Der texanische Kongressabgeordnete Henry Cuellar stellt fest: „Die Regierung ist einen Schritt zu spät. Sie hätte es besser wissen müssen. Wir haben die wachsenden Zahlen schon lange gesehen.“

Der linke Flügel bemängelt schon lange, dass die Obama-Regierung mehr papierlose Immigranten abgeschoben hat als ihre konservativen Vorgänger. Und sie kritisiert auch, dass angesichts der massiven Kinderzuwanderung die Regierung erneut von einer Beschleunigung der Abschiebungen spricht.

Für die republikanische Partei ist das als „Dream-Act“ bekannte Gesetz Obamas verantwortlich für die Kindereinwanderung. Kurz vor seiner Wiederwahl im Jahr 2012 hatte Obama jugendlichen Papierlosen in den USA mit dem „Dream-Act“ Möglichkeiten für eine vorübergehende Legalisierung ihres Aufenthaltes geboten. Während die Abschiebungen von erwachsenen Einwanderern ohne Papiere unter Obama Rekordhöhe erreicht haben, sind die Abschiebungen von Minderjährigen kontinuierlich zurückgegangen.

Obama selbst macht den späten George W. Bush für die Krise an der Südgrenze verantwortlich. In dessen letztem Amtsjahr hatte Bush ein Gesetz unterzeichnet, dass Kindern aus Zentralamerika ein Asylverfahren garantiert: zum Schutz vor Bandenkriminalität und Gewalt. Da die Behörden nicht entsprechend personell verstärkt wurden, folgten daraus immer längere Wartezeiten für die Prüfung von Asylanträgen.

„Wir müssen die Rechte der Kinder wahren“, erklärte der US-Minister für Heimatsicherheit, Jeh Johnson, am Wochenende, „aber zugleich ist klar, dass unsere Grenze nicht offen für illegale Einwanderung ist.“

Sowohl Expräsident Bush als auch Obama sind mit ihren Projekten von umfassender Einwanderungsreform an den konservativen Widerständen im Kongress gescheitert. Dabei sah es 2013 so aus, als hätte die republikanische Partei ein Einsehen, dass sie die Präsidentschaftswahlen der Zukunft nur gewinnen kann, wenn sie der wachsenden Latino-Bevölkerung entgegenkommt. Im vergangenen Jahr wagten sich mehrfach republikanische und demokratische Abgeordnete mit gemeinsamen Vorschlägen an die Öffentlichkeit. Und der Senat akzeptierte eine umfassende Reform. Doch dann brachte die Logik der Tea Party, des radikal rechten Flügels der Republikaner, im Repräsentantenhaus alles wieder zu Fall. DOROTHEA HAHN