Wenn Politik zur Männerfeindschaft wird

Das System bleibt unsichtbar: Philip Noyce’ Film „Catch a Fire“ personalisiert den Kampf gegen das Apartheidregime

Weithin sind die Metalltürme der südafrikanischen Ölraffinerie Secunda zu sehen. In dieser menschenfeindlichen Industrielandschaft herrschte in den 80ern eine besondere Form der Apartheid: An den Maschinen standen die schwarzen Arbeiter, hinter den Schreibtischen saßen die weißen Vorgesetzten.

Patrick Chamusso (Derek Luke) gehört zu den Arbeitern. Den politischen Verhältnissen zum Trotz will er sich den Traum vom Aufstieg und die Perspektive eines ruhigen Familienlebens nicht verdrießen lassen. Er ist kein Radikaler, kann aber natürlich nicht darüber hinwegsehen, dass er in einem Land der willkürlichen Gewaltherrschaft lebt. Eines Tages wird er selbst zum Opfer. Nach einem Anschlag auf die Raffinerie nimmt die Polizei zahlreiche Menschen fest, darunter auch Patrick Chamusso. In der Haft trifft er auf seinen Feind: Colonel Nic Vos (Tim Robbins) ist der prototypische Vertreter des Apartheidregimes, er ist bereit, alles zu tun, um die Herrschaft der Minderheit aufrechtzuerhalten.

Die Konfrontation dieser beiden Männer steht im Zentrum von „Catch a Fire“, dem neuen Film des Australiers Philip Noyce. Über einen Zeitraum von gut 20 Jahren entwickelt sich diese Geschichte zu einem Epos der letzten Jahre der Apartheid und der Befreiung durch das entscheidende Zutun des militärischen Flügels des ANC (African National Congress). Das Drehbuch von Shawn Slovo beruht dabei zum Teil auf den Erfahrungen ihres Vaters Joe, der Mitglied des ANC war.

Da der Ausgang der Geschichte bekannt ist, läuft „Catch a Fire“ vor allem auf die Frage der nationalen Versöhnung hinaus. Deren Dringlichkeit ergibt sich aus der Härte der Feindschaft, die Philip Noyce in einer klassischen Dramaturgie auf zwei Protagonisten zuspitzt. Vor allem Tim Robbins gerät dabei an die Grenze der Karikatur. Er spielt einen verbissenen Apparatschik – ohne Apparat, denn das System, das er vertritt, bleibt nahezu unsichtbar; er wirkt wie ein Mann mit einer persönlichen Mission, die er auch gegenüber der eigenen Familie rücksichtslos durchhält.

Die Apartheid war allerdings keine Privatsache einiger weißer Rassisten, sondern ein Gesellschaftssystem, das auf Ideologie und Ausbeutung beruhte. Dies ist in „Catch a Fire“ nur am Rande bedeutsam. Der Film führt deutlich die Probleme des historischen Epos vor Augen: Einerseits braucht jede Geschichte möglichst prägnante Figuren, andererseits ist die Vermittlung zwischen der individuellen und der kollektiven Ebene die eigentliche Herausforderung. „Catch a Fire“ setzt an die Stelle dieser Vermittlung eine Mischung aus Folklore und Popkultur. In der Musik und der Kleidung waren die Mitglieder das ANC den weißen Herrschern immer schon voraus. Das Ende der Apartheid war also nur die politische Konsequenz daraus, dass die Stilherrschaft bei den Unterdrückten lag. So projiziert das historische Epos sein Bedürfnis nach Attraktionen in die Vergangenheit und erzählt eine Siegergeschichte, in der die Guten einfach besser aussehen.

BERT REBHANDL

„Catch a Fire“, Regie: Philip Noyce. Mit Derek Luke, Tim Robbins u. a. Südafrika/USA 2006, 101 Min.