„Wissensgesellschaft gibt’s nicht umsonst“

Rektorenpräsidentin Wintermantel: Ohne zusätzliches Geld, auch fürs Bafög, kriegt man nicht mehr Studierende

taz: Die Bundesregierung erhöht die Ausbildungsförderung für Studierende nicht. Ist das eigentlich schlimm, wenn das sogenannte Bafög nicht steigt?

Margret Wintermantel: Ich finde, dass das nicht klug ist. Die finanzielle Lage der Studierenden wird dadurch schlechter. Ich habe eigentlich kein Verständnis dafür, die Bafög-Sätze gleich zu belassen. Das passiert ja nun schon zum wiederholten Male. Im Jahr 2001 wurde zum letzten Mal erhöht, die Lebenshaltungskosten sind seitdem aber um 8 bis 10 Prozent gestiegen.

Die Regierung findet Haushaltskonsolidierung wichtiger.

Das ist die falsche Prioritätensetzung. Dieselbe Bundesregierung hat sich übrigens im Koalitionsvertrag festgelegt: Die Zahl der Studierenden soll auf 40 Prozent eines Jahrgangs angehoben werden. Die Erhöhung des Bafög ist hierzu eine notwendige Voraussetzung. Wenn so viele Jugendliche auch finanziell dazu befähigt werden sollen, ein Studium aufzunehmen, dann ist mir schleierhaft, warum man die Förderung nach dem Bafög nicht erhöht.

Warum?

Wir haben doch jetzt schon eine extreme soziale Selektivität im Bildungswesen. Wenn wir die Akademikerquote erhöhen sollen, dann müssen wir auch Kinder erreichen, deren Eltern nicht studiert haben. Wir brauchen sie in den Hochschulen. Ohne Bafög ist das schwer.

Aber die Studierenden kommen doch ohnehin. Laut Prognose der Kultusminister kommen in den nächsten Jahren 500.000 Studierende zusätzlich auf die Hochschulen zu.

Ja, das hoffen wir, und das ist eine große Chance für Deutschland. Nur sollten wir uns jetzt auf diesen Ansturm gut vorbereiten. Wir beobachten aber das Gegenteil. Die Länder finanzieren nicht genügend Studienplätze für diese Studieninteressenten, und der Bund hält sich vornehm dabei zurück, die Studienexpansion sozial abzusichern.

Bafög-Schwankungen sind nicht neu …

… aber in unserer derzeitigen Situation nicht tolerierbar. Es gab mal 30 Prozent Bafög-Empfänger, von da aus ging der Anteil runter auf 14 Prozent, dann stieg er auf 25 Prozent, jetzt wird er wieder sinken. Weil auch die Freibeträge stagnieren, fallen immer mehr Mittelschichtfamilien aus der Förderung heraus. Das ist Gift für die Studierendenquote. Die Rechnung ist doch ganz einfach: Die Wissensgesellschaft gibt’s nun mal nicht umsonst. Wir brauchen einfach mehr Geld im gesamten Bildungs- und Wissenschaftssystem, wenn wir den steigenden Qualifikationsanforderungen der Zukunft gerecht werden wollen.

Aber die Bundesregierung nimmt doch Geld in die Hand. Sie investiert in die Exzellenzinitiative, sie überweist Mittel für den Hochschulpakt.

Ja, es gibt tatsächlich frisches Geld, und das ist auch gut so. Nur brauchen wir eben beides: Die Investitionen in die Leuchttürme der Wissenschaft, in die Eliteuniversitäten, um neues Wissen zu produzieren. Und wir brauchen auch die Reform der Ausbildungsförderung, die eine akademische Breitenbildung erst möglich macht. Wir müssen die forschungsintegrierte Ausbildung stärken – und zwar oben und unten. INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER