: Bulb Fiction
BIRNE In Hamburg hält ein Händler eisern an der Glühlampe fest – und bietet seinen Kunden eine Mischung aus Kapitalismuskritik, Verschwörungstheorie und Fachwissen
VON JOHANN LAUX
In einem der letzten Reservate der aussterbenden Glühbirne ist der Raum knapp: Im Luruper Lampengeschäft von Stefan Schrader stapeln sich unzählige Kartons noch verfügbarer Exemplare zu einer fachhandelsgerechten Unübersichtlichkeit. Seit die EU vor zwei Jahren beschlossen hat, Lampen mit geringer Energieeffizienz schrittweise vom Markt zu nehmen, kauft Schrader palettenweise bei anderen Händlern nach, um seine Kunden weiter mit Glühbirnen versorgen zu können.
Doch mit dem Schwinden der Ware steigen die Preise. Hinter dem Glühbirnenverbot wittert Schrader Lobbyismus der großen Hersteller wie Osram oder Philips: „Die Anforderung an Energieeffizienz ist Verdummung. Wichtiger für den Kunden ist doch, wie lange ein Produkt hält, bevor es kaputtgeht.“
Auf der Homepage seines Lichtgeschäfts sammelt der gelernte Elektriker Argumente gegen den Gebrauch von Energiesparlampen und LED, die nun am Markt den Platz der alten Glühbirne einnehmen. Die Listen sind lang und vieles ist einem aus der medialen Ausweidung des Glühbirnenverbotes bekannt. So ist auf Schraders Internetseite unter anderem von giftigem Quecksilber in Energiesparlampen, ungesundem Licht, einem geringeren Farbspektrum und fehlenden Dimmern die Rede. Auch das jüngste Argument mit publizistischer Konjunktur, nach dem Glühbirnen ja eigentlich Heizbälle seien, die zur Raumwärme beitragen und somit gar keine Energie verschwenden würden, findet sich dort.
Fragt man bei den in Deutschland zuständigen Stellen nach den Auswirkungen von Energiesparlampen auf Mensch und Umwelt, werden die meisten Bedenken vollständig zurückgewiesen. So hält das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Einsatz von Energiesparlampen im Haushalt für unbedenklich.
Nach Auskunft des Umweltbundesamtes (UBA) ist es zwar richtig, dass Glühbirnen zur Raumwärme beitragen, doch das elektrische Heizen mit der Birne ist gegenüber der Beheizung mit Heizöl und Erdgas schlichtweg stromvergeudend und umweltbelastend. Zudem passe sich der Markt zunehmend an die Umstellung an und mache auch Dimmer verfügbar, wenngleich sich nicht jede Energiesparlampe zum Dimmen eigne.
Recht gibt das UBA Schrader, dass beim Zerbrechen einer Energiesparlampe giftiges Quecksilber austreten und in die Raumluft freigegeben werden kann. Allerdings rechnet das Amt nicht mit Gesundheitsbeeinträchtigungen durch quecksilberhaltige Luft. Im Falle eines Lampenbruchs genüge es, den Raum zu verlassen und eine Viertelstunde lang zu lüften.
Für Stefan Schrader stehen gesundheitliche Bedenken eher an hinterer Stelle. Ihn reizt vor allem die Strategie großer Konzerne, durch die Umstellung zusätzliche Gewinne einzufahren. Viele seiner Kunden seien durch das Verbot gezwungen, sich neue Leuchten zu kaufen, da sie nunmehr keine passenden Leuchtmittel mehr erhielten.
Wer heute bei Schrader sein Licht einkauft, der kommt an einer Auseinandersetzung über das Verschwinden der Glühlampe nicht vorbei. Neben seinem Verkaufstresen liegen hundertfach aufgeschichtete Kopien einschlägiger Zeitungsartikel. Nimmt Schrader dann erst einmal richtig Fahrt auf, wird es zunehmend schwerer ihm zu folgen, sofern man nicht mit den tieferen Zusammenhängen von Wattzahl, Kolbengröße und Lumen vertraut ist. Besonders angetan hat es ihm ein taz-Bericht über das Elektrokartell Phoebus S. A., das 1926 die Lebensdauer aller Glühbirnen von 2.000 auf 1.000 Stunden verkürzt hat. Und so entspringt einem Lampenladen tief im Hamburger Westen aus der Energie seines Besitzers ein einzigartiges Schillern aus Kapitalismuskritik und Kundenservice, Verschwörungstheorie und Fachberatung.
Lichtservice Schrader, Luruper Hauptstraße 125, 22547 Hamburg, ☎ 040 / 831 99 64