: Berlin nicht mehr in Mode
FASHION Die Messe Bread & Butter soll künftig zwischen Berlin und Barcelona pendeln – eine Brüskierung für Wowereit, der sich für die Messe in der Stadt starkgemacht hatte
■ Berlin steht als Modestandort für Nachwuchsdesigner. Nach Angaben der Wirtschaftsverwaltung haben 3.500 Modeunternehmen ihren Sitz in der Stadt – wobei die Unternehmen im Schnitt nur knapp 6 Mitarbeiter haben. Im Jahr 2012 lagen die Umsätze der Branche bei 2,9 Milliarden Euro – das sind 63 Prozent mehr als 2009. Derzeit läuft die Fashion Week, während deren 14 Messen und Modeschauen parallel stattfinden. Erwartet werden 200.000 Besucher. Die Wirtschaftsverwaltung fördert die Ansiedlung von Modeunternehmen durch Finanzierungshilfen, Coachingangebote und einen Modewettbewerb. Wie viele der mit Steuergeldern geförderten Modefirmen schon nach wenigen Jahren in die nächste Stadt weiterziehen, ist nicht bekannt. (hei)
VON SEBASTIAN HEISER UND HILKE RUSCH
Die Bread & Butter hat kalte Füße bekommen: Künftig soll nur noch die Sommer-Modemesse in Berlin stattfinden. „In den nächsten Jahren werden wir zwischen Barcelona und Berlin pendeln, im Winter bei circa 20 Grad in Barcelona sein und dann im Sommer zurück in Berlin“, schreibt Messechef Karl-Heinz Müller in einer Mitteilung. „Der Wunsch nach einem echten Wechsel liegt in der Luft, ich kann es riechen.“
Die Entscheidung von Bread & Butter ist eine Brüskierung für Klaus Wowereit. Der Regierende Bürgermeister hatte die Modemesse im Jahr 2009 an den Standort Berlin zurückgeholt und sich stark für sie eingesetzt. Am Dienstag sagte Wowereit den Eröffnungsrundgang über die Messe kurzfristig ab.
Die Bread & Butter ist eine der wichtigsten Messen für Alltagsmode. Derzeit stellen dort rund 500 Marken aus, Tausende Einkäufer kommen in die Stadt. Die Veranstalter haben den Ort fast so häufig gewechselt wie die Kollektionen: 2001 startete die Messe in Köln, 2003 zog sie nach Berlin und 2005 nach Barcelona. 2009 wollte Wowereit die Messe dauerhaft an Berlin binden und machte ihr erhebliche Zugeständnisse.
Erstens sollte die Messe zweimal im Jahr ins Flughafengebäude Tempelhof hineindürfen und dort alle Hangars, die Haupthalle und das Flugvorfeld für einen Monat blockieren. Das bedeutete, dass das Gebäude für andere, dauerhafte Nutzer blockiert war. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte vorher ein Verfahren eingeleitet, um solche Nutzer zu finden. Zu den Interessenten gehörte das Filmstudio Babelsberg, das ein Film- und Kreativzentrum aus dem Gelände machen wollte – mit Filmproduktionsflächen, Büros und Apartments für die Unternehmen sowie einem Eventzentrum für die Öffentlichkeit.
Zweitens kam Wowereit der Bread & Butter auch finanziell entgegen und gewährte einen Preisnachlass. Wie wenig genau die Messe zahlt, ist aber unter Verschluss. Ein Medienunternehmen klagt seit fünf Jahren auf Offenlegung und hat auch in zweiter Instanz gewonnen, aber derzeit liegt die Sache vor der dritten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht. Das Land Berlin begründet die Geheimhaltung in dem Gerichtsverfahren wie folgt: Wenn andere Veranstalter erführen, wie wenig Bread & Butter zahlt, wollten sie denselben Rabatt.
KARL-HEINZ MÜLLER, MESSECHEF
Zu befürchten sei „eine Beeinträchtigung der Verhandlungsposition gegenüber weiteren Mietinteressenten, die entsprechende Zugeständnisse für sich fordern könnten“, so wird die Stellungnahme des Landes Berlin in dem Gerichtsurteil wiedergegeben. Auch „die Regelungen über die Baumaßnahmen des Vermieters und die Kostentragung hierfür ließen erkennen, zu welchen Zugeständnissen sich das Land bereit erklärt habe“.
Wowereit geriet in Parlament und Öffentlichkeit erheblich unter Beschuss und rechtfertigte sich wie folgt: „In ganz Europa wäre der goldene Teppich ausgerollt worden, wenn die ‚Bread & Butter‘ gekommen wäre.“ Der Vertrag wurde auf zehn Jahre abgeschlossen mit der Option auf Verlängerung um weitere zehn Jahre. Die Hoffnung war, mit der Bread & Butter weitere Großveranstaltungen aus der Branche anzuziehen und Berlin dadurch als Modestandort auszubauen. Welche juristischen Möglichkeiten die Messe hat, den Vertrag vorzeitig teilweise zu kündigen, und welche Vertragsstrafen gegebenenfalls vorgesehen sind, ist nicht bekannt.
Wowereits Sprecher Richard Meng sagte, der Wegzug der Bread & Butter im Winter sei „bedauerlich, aber es ist deren wirtschaftliche Entscheidung. Dafür kommen auch wieder andere.“