: Mal sehen, wie die das machen in der Dutschke-Straße
BESUCH In der taz-Redaktion sind Gäste willkommen
Die Soldaten waren zuerst verstört. „Ich habe mich gefragt, wie man bei so harter Kritik gut zusammenarbeiten kann“, sagte einer. Und er fragt, ob sich die taz eigentlich jeden Tag professionelle Blattkritiker bestelle. Nein, machen wir nicht, nur hin und wieder. Ansonsten kritisiert jeden Tag eineR aus der Redaktion, der Reihe nach.
Die 25 Angehörigen des Materialwirtschaftszentrums der Bundeswehr in Hesedorf bei Bremervörde hatten an diesem Tag im Rahmen eines Medienseminars die große taz-Morgenkonferenz um 9.30 Uhr besucht. Dabei konnten sie miterleben, wie die Zeitung des nächsten Tages geplant wird und wie zuvor jemand die Blattkritik zur aktuellen Ausgabe macht.
Nach einer Stunde Konferenz konnten die Soldatinnen und Soldaten im Gespräch mit Redaktion und Verlag Fragen stellen. Das Thema dieses Tages: Der Umgang der Medien mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und seiner aktuellen Krise in der Bundeswehr, außerdem die Vorgänge auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“. Einer der Soldaten kritisierte das Verhalten der Medien: „Hier wird groß über Skandale berichtet“, sagte er, „aber wenn sich am Ende herausstellt, dass alles nicht so schlimm war, ist die Berichterstattung darüber ganz klein oder findet gar nicht statt“.
Auch zur aktuellen Ausgabe gab es Kritik – für uns tazler sogar in einem Punkt überraschend: An dem Tag hatten wir die Zeitung wie an den Vortagen auf Seite eins mit dem aus unserer Sicht wichtigsten Thema – der Krise in Ägypten und im gesamten arabischen Raum – aufgemacht. Es gab allerdings ein starkes Konkurrenzthema: die gerade erfolgte Räumung des besetzten Hauses „Liebig 14“ in Berlin-Friedrichshain. Dort war die taz mit mehreren Reportern am und später im Haus. Nach langer Diskussion hatten wir uns entschieden, mit Ägypten aufzumachen.
Aus Sicht unserer Besucher war das die falsche Entscheidung. „Ich habe mich gewundert, dass Sie über die Räumung erst auf Seite vier berichtet haben und nicht früher“, sagte einer. Nicken in der Runde.
Das sind die Meinungen unserer Leser, die solche Redaktionsbesuche auch für uns bei der taz zu einer Bereicherung machen. Bei diesen Gelegenheiten können wir nämlich lernen, wie Dinge von außerhalb gesehen werden. Und die Gäste haben die Möglichkeit, uns diese Meinung mitzuteilen und natürlich einen Einblick zu gewinnen, wie wir Zeitung machen, wie wir entscheiden, priorisieren und unsere Arbeit kritisieren.
Wer möchte, kann uns besuchen – in einer Gruppe oder auch allein. Eine E-Mail genügt: an geno@taz.de. Wir halten die Redaktionssitzung bewusst offen für Besucher, weil wir möchten, dass unsere Leserinnen und Leser mit uns in Kontakt bleiben. Diskussionen gibt es bestimmt. Und manchmal sogar Streit.
GORDON REPINSKI
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