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Archiv-Artikel

„Jemand, der gesünder ist, leistet mehr“

Arbeitgeber brauchen die Alten – und müssen für deren Gesundheit vorsorgen, sagt Gesundheitsexperte Badura

taz: Herr Badura, wieso müssen Unternehmer lernen, wie man mit älteren Arbeitnehmern umgeht?

Bernhard Badura: Das hat ganz handfeste Kostengründe. Wenn Mitarbeiter älter werden, dann wird die Wahrscheinlichkeit zunehmen, dass sie an einer Krankheit leiden. Das heißt, dass sie Fehlzeiten erzeugen und damit Kosten für das Unternehmen. Unternehmen, die heute in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren, werden daher morgen weniger Kosten haben.

Und bislang machen Firmen das nicht, weil sie kaum ältere Arbeitnehmer haben?

Die Masse der großen Unternehmen in Deutschland beschäftigt im Moment kaum jemanden über 50. Das ist die Realität und hängt mit der alten Frühverrentungspraxis zusammen. Heute ist eher das Gegenteil der Fall, die Leute sollen länger arbeiten, Rente erst mit 67. Das heißt, sie müssen gesünder alt werden und das heißt, die Unternehmen müssen lernen, mit den alternden Belegschaften besser umzugehen. Und wenn man schon in die Gesundheit der Jüngeren investiert, bringt das auch Wettbewerbsvorteile. Jemand, der gesünder ist, leistet mehr, ist innovativer, auch veränderungsbereiter. Alles Dinge, die auch mit dem Wohlbefinden der Beschäftigten zusammen hängen.

Heutzutage ist das in Unternehmen noch kein Thema?

Wir haben den klassischen Gesundheitsschutz, der seit über hundert Jahren betrieben wird. Aber der bezieht sich vor allem auf Probleme an der Mensch-Maschine-Schnittstelle, also Maschinensicherheit und so weiter. Heute, in der wachsenden Dienstleistungsbranche, haben wir es im Wesentlichen mit Problemen an der Mensch-Mensch-Schnittsstelle zu tun. Das heißt im Umgang miteinander: Es gibt Spannungen, Stress, Misstrauen, Ängste, die in den Beziehungen zu den Kollegen entstehen. Angst vor Mobbing, Angst vor Entlassung, vor unfairerer Behandlung: Das sind alles Dinge, die heute eine große Rolle spielen.

Und die krank machen?

Ja, Mobbing macht krank, innere Kündigung macht auf Dauer auch krank. Burnout macht krank. Das sind alles Krankheitsbilder, die heute vornehmlich im Dienstleistungssektor auftreten: bei Journalisten, Lehrern, auch Hochschullehrern, bei Krankenschwestern, Ärzten.

Lernen die Manager in Ihrem Studiengang mit solchen Problemen umzugehen?

Ja. Es geht um die Förderung des psychischen Befindens, weil das sehr großen Einfluss auf unsere Arbeitsleistung und unseren Organismus hat. Wenn ich chronisch ängstlich bin oder chronisch Hilflosigkeitsgefühle habe, dann hat das negative Auswirkungen auf mein Kurzzeitgedächtnis, auf mein Kreislaufsystem, auf mein Immunsystem. Und das kann dazu beitragen, dass chronische Krankheiten entstehen.

Ein Motivationsproblem vieler Arbeitnehmer sind auch sinkende Gehälter.

Natürlich. Das berühmte Besitzstandsdenken hat ja irgendwo seinen Sinn. Der Mensch ist nun mal so, dass er sehr stark Kontrolle ausüben möchte. Und Einkommensverlust heißt Kontrollverlust und das ist natürlich eine Kränkung. Das sind auf jeden Fall Dinge, die auch zu sinkender Leistung oder schlechterer Gesundheit beitragen können.

Gehört dann ein angemessenes Gehalt auch zu Ihren Gesundheitsempfehlungen?

Ja. Wir sagen heute, es sind im Wesentlichen vier Dinge, die eine gute Arbeit ausmachen aus Sicht der Beschäftigten. Erstens eine sinnvolle Betätigung, die Menschen auch persönlich fördert. Zweitens ein sicherer Arbeitsplatz, drittens eine angemessene Bezahlung und viertens gute soziale Beziehungen am Arbeitsplatz.

INTERVIEW: SUSANNE GANNOTT