: „Historische Figur von Rang“
Eine Dutschke-Straße stünde Berlin gut zu Gesicht. Das ist das einhellige Ergebnis einer Debatte im Kreuzberg Museum. Vor dem Bürgerentscheid am Sonntag wird nur noch der Ort in Zweifel gezogen
von Gereon Asmuth
Berlin verträgt eine Rudi-Dutschke-Straße. Das ist das überraschend einhellige Fazit einer Diskussionsveranstaltung am Mittwochabend im Kreuzberg Museum. Dabei war das Podium im gut gefüllten Saal keineswegs einseitig besetzt. Zwar hatte Museumsleiter Martin Düspohl mit Peter Unfried, dem stellvertretenden taz-Chefredakteur, und mit Jürgen Karwelat von der Berliner Geschichtswerkstatt zwei Dutschke-Straßen-Fans geladen. Aber mit Conrad Wiedermann, Vorstandssprecher der Initiative historisches Zeitungsviertel, und Richard Herzinger, Redakteur der im Springer Verlag erscheinenden Welt am Sonntag, saßen genauso viele Kritiker auf dem Podium.
Vier Tage vor dem Bürgerentscheid, bei dem am Sonntag die Wahlberechtigten in Friedrichshain-Kreuzberg über die Dutschke-Straße entscheiden dürfen, wollte keiner der Diskutanten die Idee der taz verteufeln. „Dutschke war eine historische Figur von Rang“, sagte Wiedermann. Allerdings dürfe für eine Ehrung nicht die Kochstraße fallen, so der Germanist. Rund um die Straße hätten bis 1933 viele liberale Zeitungsverlage ihren Sitz gehabt. Sie sei somit eine „echte Keimzelle der politischen Kritik“ und „ein Ruhmesblatt für die Stadt“.
Die historische Bedeutung des Ortes wollte niemand in Abrede stellen. Jürgen Karwelat bezweifelte jedoch, dass es bei der Bevölkerung eine starke Verbindung zwischen dem Namen Kochstraße und dem Viertel gebe: „Ich weiß nicht, ob man bei der Kochstraße tatsächlich an das Zeitungsviertel der 20er-Jahre denkt.“
Die durch die Umbenennung entstehende Kreuzung Dutschke- Ecke Springer-Straße hingegen sei eine „lebendige Geschichtswerkstatt auf der Straße“, erklärte Karwelat. Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 hatten Studierende an dieser Kreuzung versucht, die Auslieferung der Springer-Zeitung Bild zu verhindern. „Nicht ohne Grund“, wie Jürgen Karwelat betonte. Die Demonstranten machten das Springer-Boulevardblatt mitverantwortlich für das Attentat.
Springer-Redakteur Herzinger hat zwar auch nichts gegen eine Dutschke-Straße. Er warnte jedoch vor einer Verklärung des Studentenführers. Dutschke sei Anhänger eines romantischen Idealismus gewesen, ein extremer Idealist und letztlich antidemokratisch. Und die gesellschaftlichen Veränderungen der 60er-Jahre seien nicht von den 68ern erfunden worden, meinte Herzinger, sondern längst im Gange gewesen.
Die Modernisierung sei erst durch die 68er beschleunigt worden, entgegnete taz-Redakteur Unfried. Heute stehe leider wieder das Bewahrende im Vordergrund, eine Gesellschaft benötige jedoch das Verändernde. „Geschichte kommt nicht von allein“, ergänzte Karwelat. Sie brauche auch handelnde Personen, die manchmal sogar zu idealisiert auftreten müssten, um tatsächlich etwas zu bewegen.
Vertreter der CDU, die das Bürgerbegehren gegen die Dutschke-Straße gestartet hatten, ließen sich bei der Diskussion nicht blicken. So kam Kritik an der Umbenennung vor allem von links. Es sei ihr unverständlich, warum die taz die Umbenennung auch als Zeichen der Versöhnung sehe, erklärte eine „nicht frustrierte 68erin“ aus dem Publikum: „Ich möchte mich nicht mit der Bild versöhnen!“ Für die Dutschke-Straße werde sie allerdings stimmen.