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Archiv-Artikel

Mit Gottes Hilfe

In den USA ist der Kampf um die Präsidentschaft 2008 eröffnet. Ob Barack Obama oder Hillary Clinton: Diesmal setzen auch die Demokraten auf das Bekenntnis zur Religion

Barack Obama redet über seine Begegnungen mit Gott, wie man das sonst nur von George W. Bush kennt

Nachdem einige US-Politiker schon mehr oder weniger offen ihre Ambition auf das Weiße Haus bekundet haben, geht das Rennen um die Präsidentschaftswahl 2008 in die erste Runde. Unter den Liberalen in den USA herrscht Euphorie, denn die beiden heißesten Anwärter der Demokraten für das höchste Amt des Landes sind Barack Obama und Hillary Clinton: ein Schwarzer und eine Frau. Das US-Magazin Newsweek stilisierte die beiden schon zu Hoffnungsträgern: Sie könnten alte Grenzen überwinden und das Bild der USA in der Welt „reparieren“.

Obama und Clinton gelten als Repräsentanten eines weltoffenen, liberalen Amerikas. Ihre Aufmerksamkeit widmen die Demokraten in diesem Wahlkampf allerdings verstärkt der christlich-konservativen Wählerschaft: Keine Rede, in der Obama nicht seinen tiefen Glauben an Gott betont, und auch Clinton setzt sich als bibeltreue Christin in Szene. Beide haben sich sogar persönliche Berater gesucht, die sich ausschließlich um die religiöse Außenwirkung der Kandidaten kümmern: Im Team von Obama ist das laut dem US-Magazin The Hill Josh Dubois, ein Mitarbeiter seines Senatsbüros. Clinton hat sich dafür Burns Strider ins Boot geholt, einen der führenden Strategen der Partei und Vorsitzender der „Democratic Faith Working Group“.

Nach ihrer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2004 sind die Demokraten zu dem Schluss gekommen, dass sich allein mit liberalen Werten in den USA derzeit keine Wahlen gewinnen lassen. Dem Meinungsforschungsinstitut Pew Forum zufolge gaben Glaubensfragen den Ausschlag für den Sieg von George W. Bush. Evangelikale Protestanten stellen mittlerweile ein Viertel der Wählerschaft, und 78 Prozent von ihnen gaben bei der vergangenen Wahl Bush junior ihre Stimme. Prinzipiell gilt: Je seltener jemand in die Kirche geht, desto eher stimmt er für die Demokraten. Die Partei steht für das Recht auf Abtreibung, die Befürwortung der Homoehe sowie die Emanzipation der Frau – Ansichten, die konservativen Kirchgängern Albträume bereiten.

Das Pew Forum ermittelte, dass für 85 Prozent der Wähler Religion wichtig ist, aber nur 26 Prozent die Demokratische Partei als „religionsfreundlich“ erachten. Das sollte sich nach dem Wahldebakel 2004 ändern: Um „christliche Werte“ nicht länger den Republikanern zu überlassen werden, rief Nancy Pelosi, heute Sprecherin des Repräsentantenhauses, die „Democratic Faith Working Group“ ins Leben: „Die Arbeitsgruppe wird sowohl eine Quelle der Stärke für unsere Mitglieder darstellen als auch ein Mittel, gläubige Menschen in diesem Land besser zu erreichen“, so Pelosi.

Auch Hillary Clinton schlug fortan moderatere Töne an. Besonders in Bezug auf Abtreibung änderte sie ihre Rhetorik und nannte die Prozedur im Januar 2005 eine „traurige, sogar tragische Wahl für viele, viele Frauen“. Außerdem erklärte sie: „Ich respektiere alle, die mit ihrem Herzen und ihrem Gewissen der Überzeugung sind, dass Abtreibung unter keinen Umständen zugänglich sein sollte.“ Gemeinsames Ziel sei es, die Zahl der ungewollten Schwangerschaften zu reduzieren. Als Maßnahmen für Jugendliche nannte Clinton Aufklärung, Verhütung – und Abstinenz. Diese Forderung kommt dem Gebot der christlichen Rechten „Kein Sex vor der Ehe“ bedenklich nahe. Feministinnen fürchten, die Demokraten könnten – der neu entdeckten konservativen Wählerschaft zuliebe – künftig von ihren Positionen abrücken. Denn diese wird sich nicht allein mit Worten zufrieden geben, sondern Taten fordern.

Clinton aber hält an der neuen Strategie fest. Als sie kürzlich in einer Rede die geplanten Gesetzesverschärfungen gegen Immigranten kritisierte, berief sie sich gar auf die Bibel. Das Vorhaben widerspreche ihrem Verständnis der Heiligen Schrift: „Damit würde buchstäblich der barmherzige Samariter kriminalisiert und vielleicht sogar Jesus persönlich.“ Das ist eine Sprache, die Evangelikale verstehen.

Barack Obama gilt im Rennen um das Amt des Präsidenten als größte Konkurrenz für Clinton. In Umfragen liegt er nur knapp hinter der einstigen First Lady. Seine Vorzüge: Er war von Anfang an gegen den Irakkrieg und beruft sich auf seinen christlichen Glauben. Immer wieder berichtet er so persönlich von seinen Begegnungen mit Gott, wie dies sonst nur George W. Bush tut: „Auf Knien unter dem Kreuz hatte ich das Gefühl, dass Gottes Geist mir zuwinkte. Ich unterwarf mich seinem Willen und widmete mich der Entdeckung seiner Wahrheit“, berichtete der Senator aus Illinois. Im Juni vergangenen Jahres kritisierte er ausdrücklich seine Parteikollegen für ihr Versagen in religiösen Belangen. „Ich denke, wir machen einen Fehler, wenn wir nicht in der Lage sind, die Macht des Glaubens im Leben der Menschen anzuerkennen“, erklärte der 45-Jährige. Schließlich seien US-Amerikaner religiös: 90 Prozent glaubten an Gott. „Bedeutend mehr Menschen in Amerika glauben an Engel als an die Evolution“, so Obama.

Im Oktober 2006 veröffentlichte der US-Politiker sein erstes politisches Buch „Die Kühnheit der Hoffnung“. Darin beschreibt Obama seine Mission: Er will das gespaltene Land zur Einheit führen – Schwarze und Weiße, Liberale und Konservative. Höhepunkt seiner Bemühungen um die christliche Wählerschaft war seine Teilnahme an der Aids-Konferenz von Rick Warren im vergangenen Dezember. Warren ist einflussreicher Prediger der evangelikalen „Saddleback Valley Community“, einer Megakirche in Kalifornien.

Feministinnen fürchten, die Demokraten könnten christlichen Wählern zuliebe ihre Positionen aufgeben

Auch John Kerry hat sich kürzlich mit Rick Warren getroffen. Zwar sind seine Chancen als Präsidentschaftskandidat gering, doch hat auch der Senator aus Massachusetts nach seiner Niederlage 2004 die Religion für sich entdeckt und einen Berater engagiert, um seine religiöse Außenwirkung zu verbessern: Shaun Casey, einen Professor für christliche Ethik am Theologischen Priesterseminar Wesley. Beim ehemaligen Kontrahenten von George W. Bush wirkt die neue Strategie besonders zweifelhaft: Kaum jemand dürfte bei ihm an ein göttliches Erweckungserlebnis glauben. So setzen die Demokraten ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, was die Politikverdrossenheit der US-Amerikaner noch steigern könnte. Zwar lag die Wahlbeteiligung bei den letzten Präsidentschaftswahlen mit über 60 Prozent so hoch wie lange nicht. Dennoch blieben schätzungsweise 87 der rund 217 Millionen wahlberechtigten US-Bürgern den Urnen fern.

Doch zunächst scheint die neue Strategie der Demokraten aber aufzugehen; bei den Kongresswahlen im November 2006 eroberten sie die Mehrheit sowohl im Repräsentantenhaus wie im Senat. Besonders in Michigan, Ohio und Pennsylvania konnten sie viele Stimmen von weißen Evangelikalen hinzugewinnen. Ob der nächste Präsident der Vereinigten Staaten tatsächlich zum ersten Mal seit 230 Jahren kein weißer Mann sein wird ist noch offen. Doch eines scheint sicher: Ob Schwarz oder Weiß, Mann oder Frau – ohne Gott geht es in den USA nicht.

KATHRIN HEDTKE