: Soll Plasberg Sabine werden?
Verlässt der WDR-Talkmaster Frank Plasberg das Sendegebiet? Tritt der Macher von „Hart aber fair“ in die prominenten Fußstapfen von Sabine Christiansen. Wird der Ansager ab Sommer in der Hauptstadt nachhaken? Oder lässt Plasberg von der ARD-Sonntagsrunde besser die Finger?
JA
Auf den vermutlich besten Sendeplatz im Ersten Deutschen Fernsehen gehören endlich mal Themen wie „Evas Sünde oder Emmas Ende“, „Balla balla: Willkommen in der FIFA-Welt!“ oder „Kinder – nein danke! Wie Deutschland seine Zukunft verhütet“. Denn was die Millionen Tatort-Gucker in Deutschland zurzeit sonntags um 21.45 Uhr sehen, reizt höchstens noch zum Umschalten. Nicht, weil Sabine Christiansen keine gute Talkerin wäre. Im Gegenteil, sie hat ihre Sendung zu einer Institution gemacht. Wer etwas zu sagen hatte oder zu sagen haben wollte, sagte es bei Christiansen. Keine kleine Leistung. Aber das Format „Sabine Christiansen“ hat sich überlebt. Eine Gefahr, die Frank Plasberg mit „Hart aber fair“ im WDR auch droht. Selbst hartnäckige Fans schalten mittlerweile nicht mehr jeden Mittwoch ein. Die Wiederholungs-Falle schnappt zu – nicht nur bei der Auswahl der Gäste, sondern auch der Standpunkte. Sternstunden freilich gibt es immer noch. Die Sendung vom vergangenen Mittwoch war so eine. Eine klasse Gästeliste, witzige Einspielfilme und ein gut aufgelegter Frank Plasberg, der sicherlich wusste, dass es an diesem Abend um mehr als ums Klima ging. Es war eine Bewerbung um den Sendeplatz im deutschen Fernsehen, der nach der Absage von Günter Jauch nun doch noch zu haben ist und der Frank Plasberg gehören sollte. Journalist oder Gastgeber, Fragen stellen oder reden lassen – das ist die Entscheidung, die die Intendanten der ARD-Anstalten Anfang Februar treffen müssen. Für die Rolle der Gastgeberin bietet sich zwar Sandra Maischberger an, die sich schon früher auf n-tv als einfühlsame Interviewerin gezeigt hat und das mit ihrer Talkrunde in der ARD immer noch tut. Aber für die Rolle des bissigen Journalisten ist Plasberg die natürliche Wahl. Für ihn persönlich ist der Christiansen-Sendeplatz der natürliche Schritt auf der Karriere-Leiter und die Chance, zum rechten Zeitpunkt ein frisches Konzept zu entwickeln. Der ehemalige Moderator der Aktuellen Stunde (WDR) ist längst mehr als ein Ansager – so hat er seine Produktionsfirma getauft. Wie ein passender Beleg dafür kommt da eine Auszeichnung des Branchenblattes Medium Magazin daher, das Plasberg zum „Politik-Journalisten des Jahres 2006“ gewählt hat. Aber nicht nur für die Millionen Tatort-Gucker und Frank Plasberg geht es im Nachfolger-Poker um einiges, sondern auch für die designierte Intendantin des WDR Monika Piel und ihren Sender. Nicht gerade zurückhaltend hat sich die Noch-Radiochefin gegen Günter Jauch geäußert und nun hängt ihr späterer Einfluss als Intendantin in der ARD an der Frage, ob sie ihren Kandidaten gegen den NDR-Vorschlag (Anne Will) durchdrücken kann.
KATHARINA HEIMEIER
NEIN
Braucht es noch mehr Warnungen? Wenn ausgerechnet Günter Jauch – der biedere Fernsehmann für Rätsel, Menschen, Tiere, Sensationen – eine Sendung absagt, weil er die politische Einflussnahmen aus den Chefetagen, die „Farbenlehre“ der ARD befürchtet, gibt das zu Denken. Auch wenn es nur eine Ausrede des Berufsschwiegersohnes Jauch war, der seine Nebenbeschäftigungen nicht aufgeben wollte – wer um 21.45 Uhr in der ARD zum Gespräch bittet, ist genauso ein Politikum wie die Gästeliste dieser tönenden Wochenschau für die bundespolitischen Platzhirsche. Man kann Frank Plasberg nur von Herzen wünschen, dass er ganz genau zugehört hat, dass er hart aber fair nachgefragt hat, als Günter Jauch ihn anrief, um exklusiv seinen Verzicht auf das Premium-Format am Sonntagabend mitzuteilen und Glück zu wünschen.
Nur wer so schmerzfrei, nein, genauer: Wer so elegant gleichgültig sein kann wie Sabine Christiansen, wer die Themen und Typen der Woche nur für eine Stunde an sich heran lässt, nur der kann auf diesen Sendeplatz. Wer sich wie Plasberg um Haltung müht, wer in Interviews Brechtsche Ideen bemüht, wer deshalb Gäste einladen will, die die Zuschauer überraschen, gar verwirren können – der hat in Berlin wirklich überhaupt nichts zu suchen. Alles andere wäre ein tragisches Missverständnis.
So gesehen schaut ganz Fernsehdeutschland derzeit einer dieser Gretchenfragen zu. Es geht dabei überhaupt nicht darum, ob der NDR, der SWR, der BR oder der WDR bei der Kandidatenkür um die Christiansen-Nachfolge obsiegt, sondern wer die Maske wird, die den Herrschaftsdiskurs in den nächsten Jahren verpacken muss. Wer halbwegs kritischen Journalismus machen will, kann und darf nicht Christiansen werden.
Wie es in einem tobt, der gerade Aussichten hat an Reichweite zuzulegen und für seine proppere Produktionsfirma eine goldene Zukunft bauen kann, wie einer tickt, der nun viel über Einfluss, Prominenz und Aufstieg in die Talkshow-Bundesliga nachdenkt, konnten wir am vergangenen Mittwoch sehen.
Gutes Thema, „Hart aber fair“ sorgte sich um Klimawandel, lud dazu auch die Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (CSU). Die ist eine interessante Figur im Klimadiskurs, ihr Mann war schließlich mit der Deutschen BA ein Billigflugpionier und nicht ganz unschuldig am Klimaschaden. Endlich kam diese Frage, wie sinnvoll eigentlich innerdeutsche Flüge zwischen Köln und Frankfurt sind, ob man die nicht besser verbieten solle, Frau Wöhrl? Die stammelte und stoiberte, nein, das gehe nun gar nicht. Und was tat Plasberg, dem der NDR vorhält, kein charmanter Gastgeber zu sein, er gab die Frage weiter. CHRISTOPH SCHURIAN