: Städte: „Sind nicht Sozialamt Deutschlands“
FINANZEN Kommunen verzeichnen 2010 ein 10-Milliarden-Defizit, so der Städtetag. Sozialausgaben steigen
BERLIN taz | Städte und Gemeinden in Deutschland ächzen unter der Last steigender Sozialausgaben. Selbst im Aufschwungsjahr 2010 stiegen die Aufwendungen um fast 5 Prozent auf 42 Milliarden Euro, gaben Vertreter des Deutschen Städtetags am Montag bekannt. Dass bei den Hartz-IV-Verhandlungen eine Entlastung bei der Grundsicherung im Alter – immerhin 4 Milliarden Euro jährlich – herauskommen könnte, begrüßte der Verband.
Mit einem Defizit von 9,8 Milliarden Euro war 2010 für die deutschen Kommunen das schlechteste Jahr seit Bestehen der Bundesrepublik. Nach der Städtetags-Prognose für 2011 wird das laufende Jahr nur eine geringfügige Verbesserung bringen, der Fehlbetrag wird auf 9,6 Milliarden geschätzt.
Die kurzfristigen Kassenkredite, mit deren Hilfe die Städte Liquiditätsengpässe überbrücken, belaufen sich mittlerweile auf 40,5 Milliarden Euro – 6,6 Milliarden mehr als im vergangenen Jahr und etwa doppelt so viel wie 2004.
Als Ursache für die strukturelle Finanznot haben die Kommunen vor allem ständig steigende Sozialausgaben ausgemacht. Dazu zählen vor allem die Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose, die Jugendhilfe, Eingliederungshilfen für behinderte Menschen und die Grundsicherung für ältere Menschen. Für Letztere geben die Kommunen nach einer aktuellen Umfrage des Städtetags mittlerweile 20 Prozent mehr als bei ihrer Einführung im Jahr 2004 aus.
Bund und Ländern wird dabei vorgeworfen, den Kommunen immer wieder neue Aufgaben zuzuweisen, ohne deren Folgekosten im Blick zu haben. Dagegen wehrt sich Städtetagspräsidentin Petra Roth (CDU): „Wir lehnen es ab, Sozialamt der Bundesrepublik Deutschland zu sein.“ Die Kommunen seien kein „bundesrepublikanisches Rentenversicherungssystem“.
Die Grundsicherung im Alter gehört auch zur Verhandlungsmasse der aktuellen Hartz-IV-Gespräche zwischen Regierung und Opposition. Unter anderem als Ausgleich für die Belastungen, die mit dem Bildungspaket auf die Städte zukommen, soll der Bund die Kosten für die Grundsicherung übernehmen, so der Vorschlag der Regierungskoalition aus FDP und Union. Für Roth wäre dies „die Einleitung zu einer Rettungsaktion der Kommunen“. Unter den Verhandlern ist der Punkt jedoch umstritten.
NIKLAS WIRMINGHAUS