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Archiv-Artikel

Friendraising oder Fundraising

Von den Gewinnen und den Risiken bürgerschaftlichen Engagements: Auf einem Symposium in Berlin tauschten sich am Freitag verschiedene kulturelle Freundes- und Fördervereine über ihre Arbeit und über ihre Ziele aus

Warum sollten die Freundes- und Förderkreise auf abgehalfterte Manager setzen?

Früher, so eröffnete Peter Raue launig seinen Vortrag, seien Freundeskreise von den Institutionen, um die sie sich scharten, nur als lästig empfunden worden. Heute seien sie zwar immer noch lästig, fügte Raue, Vorstand der Freunde der Nationalgalerie in Berlin, hinzu. Allerdings seien sie inzwischen für die Institutionen existenznotwendig. Tatsächlich besagt eine ganz aktuelle Untersuchung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, dass die Freunde und Förderer durchschnittlich 14 Prozent zum Gesamtbudget der von ihnen geförderten Institution beitragen. Dabei ist noch gar nicht von der Zeit die Rede, die sie ehrenamtlich für ihr Museum, ihre Bibliothek, ihr Theater, ihre Oper oder ihre Hochschule aufwenden.

Anlass der Studie war die Auskunft der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP im Parlament, sie habe keine Ahnung, welche Rolle den Freundes- und Förderkreisen im kulturellen Leben in der Republik zukomme. Trotzdem wollte sie genau vor einem Jahr, wegen der geldwerten Vorteile wie etwa des freien Eintritts, die manche Förderkreise ihren Mitgliedern gewähren, die steuerliche Abzugsfähigkeit der Beiträge streichen. Sämtlich in der Studie befragten Freundeskreise befürchten nun für diesen Fall eine Stagnation, wenn nicht einen Rückgang ihrer Mitgliederzahlen; kurz, eine kaum wieder gut zu machende Entmutigung bürgerschaftlichen Engagements. Nachdem sich auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann davon überzeugen hat, dass ohne die Freundes- und Fördervereine nichts geht, liegt die Verordnung inzwischen auf Eis.

Dass Freunde verdammt lästig sein können, demonstrierte schon der Eröffnungsredner Eberhard von Knoerer aufs Schönste. „Kultur braucht Führung“ war sein erstes Statement. Und Führung, so legten es die weiteren Ausführungen des Züricher Investment- und Vermögensberaters nahe, der auch Stellvertretender Vorsitzendender der Orchester-Akademie der Berliner Philharmoniker ist, Führung gibt es nur in der Wirtschaft. Entsprechend sah er abgehalfterte Vorstände und Manager als leuchtende Beispiele für jene „zugkräftigen Freunde“, „Leitfiguren“ und „Spitzenkräfte“, die es unbedingt für die Freundes- und Förderkreise zu gewinnen gelte – damit die mal richtig auf Vordermann gebracht würden. „Friendraising kommt vor Fundraising“, erklärte von Knoerer. Es war klar, wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.

Vielleicht hielt die Androhung solcher Führung die Institutionen davon ab, zahlreicher zu erscheinen, als sie es anlässlich des Symposiums zu Förder- und Freundeskreisen in der Kultur tatsächlich taten. In der Euphorie des Zusammentreffens am Freitag in Berlin brauchte es schon Klaus-Dieter Lehmann, den Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, damit das Fehlen seiner Kollegen auch bemerkt wurde. Lehmanns Vortrag war zweifellos der Höhepunkt der Veranstaltung. Klug, schnörkellos, ohne Trivialitäten wie „Menschen geben Menschen“ – hat Eberhard von Knoerer auch nur irgendeine Ahnung, wie peinlich solche Managementphilosophie ist und wie unfehlbar sie die Arroganz der Kulturleute provozieren muss? – benannte Lehmann beispielhaft und präzise, wo für die Institutionen und damit für die Gesellschaft der Gewinn bürgerschaftlichen Engagements liegt und wo das Risiko. Führungskompetenz vermutet man jedenfalls bei ihm mehr als bei Eberhard von Knoerer.

Dessen Ausführungen verdrießten auch aus einem anderen Grund. Da der Freund bei ihm erst mit dem Vorstandsvorsitzenden beginnt, wird er nur selten jünger als 35 Jahre und noch seltener eine Frau sein. Junge Mitglieder aber fehlen den Freundeskreisen. Die Hausfrauen dagegen, vermutet man, tragen einen ganz gewichtigen Teil des ehrenamtlichen Engagements. Da Gendering nun ein so avantgardistischer Begriff ist, dass ihn die deutsche Wirtschaft einfach nicht kennen kann, ist in ihrer Studie zu diesem Punkt auch nichts zu erfahren. Immerhin erfuhr man zum Schluss, dass die deutsche Wirtschaft auch Charme entwickeln kann. Tessen von Heydebreck, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, nannte das Engagement der Fördervereine nicht einfach Lobbyarbeit, sondern sah sie für ihre Institution „durch dick und dünn gehen“.

BRIGITTE WERNEBURG