Unwillig trotz Fusionsprämie

Seit das Verfassungsgericht Berlin Geld verweigerte, diskutieren Politiker wieder die Vereinigung von Bundesländern

FRANKFURT/MAIN taz ■ Eine Fusion von Bundesländern zu Sparzwecken ist nach dem Berlin-Urteil des Verfassungsgerichtes wieder in der Diskussion. Karlsruhe hatte entschieden, der Hauptstadt keine zusätzlichen Mittel aus dem Länderfinanzausgleich oder der Bundeskasse zukommen zu lassen.

Mehr als die Hälfte der 16 Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland ist eigenständig kaum mehr überlebensfähig und hängt am Tropf des Bundes und der reichen Länder vor allem im Süden der Republik. 11 Bundesländer gelten als Armenhäuser, für deren Unterhalt die anderen aufkommen müssen. Neben den Flächenländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen gehört auch die Hansestadt Hamburg zu den reichen Nettozahlern.

Dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) missfällt die Alimentierung der Armenhäuser der Republik schon lange gewaltig. 14,8 Milliarden Euro hat das Land in den Jahren 1999 bis 2004 in den Länderfinanzausgleichstopf eingezahlt und dafür 8,6 Milliarden Euro neue Schulden machen müssen, wie der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Landtag, Gottfried Milde, in dieser Woche vortrug. Koch hatte da gerade „Hochzeitsgeld“ aus dem Länderfinanzausgleich für die Bundesländer und Stadtstaaten ausgelobt, die demnächst ihren festen Willen bekundeten, sich zu vereinigen. Ein Überbrückungsgeld für die Verlobungszeit also. Denn wenn aus den jetzt 16 Bundesländern durch Fusionen 8 oder noch weniger Länder entstehen würden, könnten Landtage und Ministerien aufgelöst und Verwaltungskosten in Milliardenhöhe eingespart werden, so die Argumentation der Fusionsbefürworter. Doch so richtig die Hand gehoben und ihren Vereinigungswillen bekundet haben bisher nur Schleswig-Holstein und Hamburg – und das bettelarme Berlin. In Kiel rechnet Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) fest mit einer Fusion mit Hamburg „in vielleicht 15 Jahren“. In Hamburg will ihm da niemand widersprechen; vor allem die Wirtschaft ist dafür. Doch Berlin mit seinen 60 Milliarden Euro Schulden freit ganz vergeblich um Brandenburg. „Eine Länderehe ist unter diesen Bedingungen vom Tisch“, beschied aus Potsdam Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD).

Mehrfach schon machte auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) dem Saarland entsprechende Avancen. Doch in Saarbrücken lehnten CDU und SPD in selten geschlossener Phalanx alle Übernahmeangebote schroff ab – mit dem immer gleichen, aktuell wieder von Ministerpräsident Peter Müller vorgetragenen Argument: „Eine Fusion verbessert die Finanzsituation nicht.“

Dabei weiß man im Saarland aus Erfahrung, dass sich mit einer Vereinigung auf vielen Politik- und Wirtschaftsfeldern Synergieeffekte einzielen lassen. Gerichte und Wirtschaftsverbände arbeiten längst länderübergreifend kostensparend erfolgreich zusammen. Der saarländische Regierungssprecher Udo Recktenwald glaubt dennoch, dass bei einer Komplettfusion des Saarlandes mit Rheinland-Pfalz „nur Peanuts“ eingespart werden könnten: Alle Landesbediensten in beiden Bundesländern müssten weiterbeschäftigt, die Pensionen dennoch gezahlt werden. Da falle das Abschaffen einer Landesregierung und eines Landtages nicht weiter ins Gewicht. Das Saarland verweist lieber auf eigene Sparanstrengungen und klagt, wie auch Bremen, in Karlsruhe auf mehr Geld vom Bund. Begründung: Der Strukturwandel sei schuld an der Ebbe in den Landeskassen.

Debattiert wird auch über eine Fusion von Bremen mit Niedersachsen. Und in Sachsen und Thüringen träumen manche von „Mitteldeutschland“. Den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) gibt es schon. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT