: Gnadenakt und Menschenwürde
FREIBURG taz ■ Ursprünglich war die lebenslange Freiheitsstrafe wirklich so gemeint. Und nur ein Gnadenakt des jeweiligen Ministerpräsidenten konnte die Entlassung bewirken. Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch 1977, dass die Menschenwürde nur gewahrt ist, wenn auch der oder die „Lebenslängliche“ eine Perspektive auf ein Lebensende in Freiheit hat.
Der Gesetzgeber legte deshalb die Mindestverbüßungszeit auf 15 Jahre fest. Anschließend ist eine Entlassung auf Bewährung möglich, wenn von dem Gefangenen voraussichtlich keine weiteren Straftaten mehr drohen.
Dies gilt allerdings nicht, wenn das Strafgericht im Einzelfall eine „besondere Schwere der Schuld“ feststellt, zum Beispiel, weil ein Mörder mehrere Personen umgebracht hat. Dann legt das Gericht eine höhere Mindestverbüßungszeit fest – in der Regel zwischen 15 und 25 Jahren liegt.
Die besondere Schwere der Schuld muss gleich bei der Verurteilung festgestellt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht 1992. Bei „Altfällen“ wie Klar und Mohnhaupt, die schon 1985 verurteilt wurden, war deshalb ein Sonderweg erforderlich.
Hier wurde die besondere Schwere der Schuld erst festgestellt, als die Gerichte über den jeweils ersten Antrag auf Entlassung zur Bewährung entschieden. Bei Christian Klar war dies 1997, bei Mohnhaupt 2006. Zugleich wurde jeweils die Mindesthaft von 26 beziehungsweise 24 Jahre festgelegt.
Doch auch nach deren Ablauf ist die Freiheit nicht sicher. Dann muss laut Gesetz geprüft werden, ob die Entlassung „unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Hierzu werden in der Regel Sachverständigengutachten angefertigt.
Wenn ein Lebenslänglicher oder eine Lebenslängliche auf Bewährung entlassen wird, beträgt die Bewährungszeit fünf Jahre. Wenn er oder sie in dieser Zeit rückfällig wird, muss die Freiheitsstrafe fortgesetzt werden.
Vor Ablauf der Mindesthaftzeit kann ein lebenslänglicher Gefangener nur auf dem Gnadenweg entlassen werden. Bisher wurden acht RAF-Gefangene begnadigt (siehe Kasten links). Der Bundespräsident ist für Begnadigungen zuständig, wenn es im Prozess auch um die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ging. Bei bloßem Mord hat dagegen der Ministerpräsident des jeweiligen Bundeslands das Gnadenrecht. CHRISTIAN RATH