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Archiv-Artikel

„Prozesse werden nicht im TV entschieden“

In großen Prozessen wie gegen Peter Hartz oder Josef Ackermann arbeiten die Verteidiger oft mit Medien zusammen, wenn es ihnen nutzt. Doch die Wirkung der Medien auf das Gericht wird überschätzt, so Staatsanwalt Christoph Frank

taz: Herr Frank, die großen Strafprozesse, etwa Hartz, Ackermann oder Motassadeq, sind Medienprozesse. Stets ringen Anwälte und Staatsanwaltschaft nicht nur im Gericht um den Erfolg, sondern auch in Medien. Fluch oder Segen?

Christof Frank: Die Hauptverhandlung im Strafprozess ist aus guten Gründen öffentlich. Wer will, kann sich in den Gerichtssaal setzen und zuschauen und Gerichtswirklichkeit erleben. Kameras sind vor Gericht allerdings verboten, um die Wahrheitsfindung nicht zu beeinflussen. Dennoch interessieren sich die Medien für spektakuläre Prozesse und eröffnen mit ihren Berichten eine neue Ebene der Wahrnehmung, die in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist.

Anwälte müssen parteiisch sein. Dazu gehört sogar Manipulation der Medien im Interesse ihrer Mandanten. Was aber macht die Staatsanwaltschaft?

Sie hat eine schwierige Aufgabe. Einerseits hat die Staatsanwaltschaft nach den Pressegesetzen Auskünfte zu erteilen, andererseits muss sie natürlich zurückhaltender sein als die Anwälte, denn nach dem Gesetz ist sie zur Objektivität verpflichtet.

Staatsanwälte reden also nur, wenn sie gefragt werden?

Natürlich nicht. Wir gehen gelegentlich auch von uns aus an die Öffentlichkeit. Es gibt bei Staatsanwaltschaften auch Hintergrundgespräche mit Journalisten, etwa zur Strafverfolgungspraxis. Wir wollen ja, dass die Öffentlichkeit versteht, was wir tun.

Bekommen einzelne Journalisten auch Exklusivmaterial?

Nein. Als Behörde sind wir zur Gleichbehandlung der Journalisten verpflichtet. Aber natürlich gilt auch hier: Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antwort.

Manche Medien haben die Anklageschrift eher als andere.

Aber nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern möglicherweise von den Anwälten der Angeklagten oder der Opfer. Diese erhalten die Anklageschrift ja schon lange vor der Hauptverhandlung. Im Übrigen ist es strafbar, vor der öffentlichen Verlesung der Anklageschrift aus ihr öffentlich zu zitieren.

Warum eigentlich?

Das schützt die Beschuldigten vor frühzeitiger Bloßstellung, z. B. wenn die Anklage später gar nicht verhandelt wird. Zudem schützt dies die Schöffen vor frühzeitiger Beeinflussung. Sie sind die einzigen Verfahrensbeteiligten, für die die Anklage in der Hauptverhandlung völlig neu ist.

Aber niemand hält sich doch an dieses Verbot?

Das Verbot läuft tatsächlich weitgehend leer, da es nur strafbar ist, „im Wortlaut“ zu zitieren. Außerdem kann man den Angeklagten nicht vor Vorverurteilung schützen, wenn sein Anwalt die Vorwürfe öffentlich macht.

Anwälte, die Informationen weitergeben, haben das Wohlwollen der Journalisten. Und Staatsanwälte „füttern“ Medienvertreter nicht?

Nein. Der Staatsanwalt macht selbst ja keine Pressearbeit. Das läuft alles über die Pressesprecher der Behörde. Die wissen, was zulässig ist.

Journalisten treffen doch die Staatsanwälte im Gericht.

Natürlich gibt es diese Kontakte. Solche Gespräche können zur Erläuterung bereits bekannter Informationen genutzt werden. Die Informationen selbst gibt es nur über die Pressesprecher. Die Staatsanwaltschaft ist nicht auf Medienpräsenz angewiesen. Strafprozesse werden nicht im Fernsehen entschieden, sondern im Gerichtssaal.

Also wird die Wirkung der Medien überschätzt?

Ja. Richter können mit öffentlichen Erwartungen umgehen. Das ist ihr tägliches Brot. Richter lassen sich nicht instrumentalisieren. Sie sind darin von der Strafprozessordnung geschützt: Im Urteil darf nur verwertet werden, was in der Hauptverhandlung ausdrücklich erörtert worden ist. Das kann im Revisionsverfahren überprüft werden. Für Schöffen, also Laienrichter, ist das Ausblenden der Medienrealität sicher schwieriger.

Im Hartz-Verfahren gab es den Vorwurf, die Staatsanwaltschaft habe Hartz über Medien unter Druck gesetzt …

… das sagt wohl einer der beteiligten Anwälte, für dessen Mandanten die Absprachen zwischen Hartz und der Staatsanwaltschaft ungünstig sein sollen, da ihn das Geständnis von Hartz belastet. Der Anwalt vertritt damit die Interessen seines Mandanten.

Mag sein. Aber die Braunschweiger Staatsanwältin sagt: „Wir lassen keine Prostituierten aufmarschieren und im Gegenzug führt Hartz sein Geständnis genau aus.“ Klingt wie eine Drohung: Wenn das Geständnis nicht konkret genug ist …

Ich sehe darin keine Drohung. Die Staatsanwältin hat erklärt, welche Absprachen es gibt. Dafür, dass Hartz den zentralen Vorwurf gesteht, werden für die Strafzumessung weniger bedeutende Vorwürfe, die mit Prostituierten zu tun haben, fallen gelassen. Die Transparenz ist bei solchen Absprachen wichtig, gerade gegenüber Medien.INTERVIEW: CHRISTIAN RATH