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Archiv-Artikel

Streit ums Schnäbelkürzen

AGRARINDUSTRIE Niedersachsen diskutiert über artgerechte Hühnerhaltung. Landesamt hält Verstümmeln für unzulässig, Betriebe haben trotzdem weitergemacht. Ministerium will Schnäbelkupieren verbieten

Die Branche sagt, sie wolle verhindern, dass sich die Tiere verletzen oder auffressen

Das Verstümmeln von Mast- und Legehühnern ist in Niedersachsen zum Thema der politischen Debatte geworden. Agrarminister Gert Lindemann (CDU) räumte im Landtag ein, dass der Landkreis Cuxhaven das Amputieren von Kämmen und Zehen monatelang geduldet hat, obwohl ein anderslautendes Gutachten des Landesamtes für Verbraucherschutz (Laves) vorlag. Lindemanns Ankündigung, das Kupieren der Schnäbel bis 2015 zu verbieten, stieß beim Verband der Geflügelwirtschaft auf Skepsis.

Die Branche rechtfertigt das Kupieren der Schnäbel wie auch das Amputieren ganzer Gliedmaßen damit, sie wolle verhindern, dass sich die Tiere gegenseitig verletzen oder gar auffressen. Die Amputation von Zehen und Kämmen bewertete das Laves bereits im September 2008 als nicht mit dem Tierschutz vereinbar. Wie Lindemann sagte, duldete der Landkreis die Amputation dennoch bis Januar 2011. Die Kreisveterinäre hätten sich auf eine Expertise der niederländischen Universität Wageningen berufen. Deren Wissenschaftler erklärten das Amputieren als notwendig, um Kannibalismus unter den Hühnern zu vermeiden. Gegen den Cuxhavener Betrieb Lohmann Tierzucht (LTZ), der mit Amputationen arbeitete, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz (taz berichtete).

Das Kürzen der Schnäbel hält das Laves für unnötig. Zu diesem Schluss kam es nach einem Besuch in Österreich, wo auf diese Praxis verzichtet wird. Auch das Kupieren sei „keine Garantie für eine verlustarme Aufzucht- und Legeperiode“, stellte das Landesamt fest. „Selbst kupierte Herden zeigen schwere Kannibalismusausbrüche.“ Diese seien ein Indikator für Mängel bei der Hühnerhaltung. Die größten Probleme gebe es in Österreich bei Bio-Herden, da die Hühner nicht immer genug zu fressen kriegten.

Nach Angaben Wilhelm Hoffrogges vom Verband der Geflügelwirtschaft testen zurzeit zehn niedersächsische Betriebe die Haltung ohne das Schnäbelkürzen.  (dpa/knö)