: Ärzte hinter frischen Gittern
Kranke Gefangene dürfen auf bessere Versorgung hoffen: Das neue Haftkrankenhaus in Plötzensee ist bezugsreif. 125 inhaftierte Männer und Frauen können dort gut bewacht ihr Leiden auskurieren
von PLUTONIA PLARRE
Es hat mehrere Legislaturperioden gedauert, die Haare von Rainer Rex sind in der Zwischenzeit grau geworden. Der 64-jährige Arzt ist Leiter des Gesundheitswesens im Justizvollzug. Das heißt, er ist zuständig dafür, dass die rund 5.400 Gefangenen in den Berliner Knästen – ein Fünftel davon Frauen – die medizische Versorgung bekommen, die sie brauchen.
Nun ist es so weit: Berlin hat ein neues Haftkrankenhaus. Das für 12,3 Millionen Euro sanierte und erweiterte Krankenhaus auf dem Gelände der Vollzugsanstalt Plötzensee ist gestern von Justizsenatorin Giesela von der Aue und Baustaatssekretärin Hella Dunger-Löper (beide SPD) eröffnet worden. 125 Betten und modernste Untersuchungsgeräte stehen bereit. 45 Betten sind für psychisch kranke Straftäter vorgesehen. Auch inhaftierte Frauen werden in Plötzensee künftig behandelt. Die ersten kranken Gefangenen sollen Ende Februar einziehen.
Die 1868 erbaute Haftanstalt Plötzensee steht unter Denkmalschutz. Das neue Haftkrankenhaus befindet sich in einem H-förmigen Bau am Rande des Geländes. Nur an der unterschiedlichen Färbung der Klinker ist zu erkennen, dass das Hospital eine Kombination aus Alt- und Neubau darstellt. Drinnen ist die Farbe des Fußbodenbelags das einzige Unterscheidungsmerkmal: Im Altbautrakt ist das Linoleum blau, im Neubau rot. Ansonsten sehen die vier Etagen ziemlich gleich aus: lange Flure, unterteilt durch vergitterte Stahltüren, Zweibettzimmer mit vergitterten Fenstern; im Blick sind Mauern und Stacheldraht. Die dominierende Farbe ist weiß: Wände, Betten und Schränke. Den einzigen Kontrast bilden die großen runden, metallisch glänzenden Schlösser an den Türen.
Der einzige Raum, der weder von außen noch von innen verriegelbar ist, ist der separate Sanitärbereich in den Zimmern. „Die Suizidalität im Vollzug ist höher als draußen“, sagt Rainer Rex zur Begründung, während er die Presse durch das neue Krankenhaus führt. „Wir wollen nicht, dass hier drinnen sich einer was antut.“
Bisher wurden kranke Gefangene im Haftkrankenhaus Moabit, in der psychiatrischen Abteilung in der Vollzugsanstalt Charlottenburg und in der Lungenabteilung Plötzensee versorgt. Rex kennt das alte Vollzugskrankenhaus aus langjähriger Praxis. Auf die Frage, warum das neue Gefängnishospital notwendig ist, sagt er, in Moabit sei es alles viel zu eng. Ein Krankenhaus brauche richtige Funktionsräume und angemessene Sanitärzellen: „Dass Patienten ihre Notdurft unter den Sinnesorganen anderer Patienten verrichten müssen, ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde.“ Angemessene Räume für kranke Gefangene und Menschenwürde – diese Worte fielen gestern häufiger. Vieles von dem, was sich bislang abgespielt hat, entsprach nicht den vorgeschriebenen Standards. Nur weil das neue Krankenhaus in Planung war, habe die Aufsichtsbehörde beide Augen zugedrückt, sagte Justizsenatorin von der Aue.
Bei schweren Erkrankungen und größeren Operationen mussten Häftlinge in der Vergangenheit in ein öffentliches Krankenhaus verlegt werden. Aus einem Gefängnis auszubrechen, gelinge heutzutage kaum noch; umso größer sei das Fluchtrisiko in einem öffentlichen Krankenhaus, sagte von der Aue. Auch jetzt habe das neue Hospital zwar keine eigene OP-Einheit, sagte Rex. „Aber wir können die Patienten nach externen Operationen schneller übernehmen.“
Um 20 Gefangene in einem öffentlichen Krankenhaus rund um die Uhr zu bewachen, seien 240 Personen erforderlich, rechnete der Leiter des neuen Krankenhauses, Rüdiger Tietze, vor. Das Gefängnishospital komme mit 183 Stellen aus. Nur 25 davon sind Vollzugsbedienstete, der Rest Ärzte, Pflegekräfte und Verwaltungsleute.
Das alte Haftkrankenhaus Moabit und die psychiatrische Abteilung in Charlottenburg werden zu normalen Zellentrakten umgebaut. Der geschlossene Vollzug gewinnt so 100 neue Haftplätze. Alle Haftanstalten in Berlin sind überbelegt. Neuerdings auch die für Frauen.