piwik no script img

Archiv-Artikel

Strafanzeige gegen Vattenfall

Aufsichtsbehörde: Schwedischer Unfall-Reaktor mit unzulässig hoher Leistung gefahren

STOCKHOLM/HAMBURG taz ■ Die schwedische Atomaufsichtsbehörde SKI hat die Betreiberfirma des AKW Forsmark wegen Verstoß gegen das Atomgesetz angezeigt. Der Reaktor 1 von Forsmark – jener, der im Juli havarierte – war im Frühjahr mindestens drei Wochen lang mit einer unzulässig hohen Leistung gefahren worden, um mehr Strom zu erzeugen. Die Betreiberfirma – Haupteigentümer ist Vattenfall – hatte dies am 24. März auch selbst bei SKI gemeldet und mit fehlerhaften Einstellungen nach einem Turbinenwechsel begründet. Statt die Leistung aber nach dieser „Entdeckung“ unmittelbar wieder auf das erlaubte Niveau herunterzufahren, entschloss man sich bis zum 19. April mit ungenehmigt hoher Kapazität weiterzuproduzieren. Offenbar ein bewusster Verstoß gegen Sicherheitsbestimmungen, um mehr Strom ins Netz einspeisen zu können.

Zwar lag die Leistungserhöhung bei „nur“ 2 Prozent über der erlaubten Kapazität. Doch SKI bewertet diesen Verstoß gegen die Bestimmungen der Betriebsgenehmigung in seiner Strafanzeige als eine Verletzung der allgemeinen Sicherheitsvorschriften. Laut Atomgesetz droht dafür den Verantwortlichen eine Höchststrafe von vier Jahren Haft. „Eine zu hohe Leistung vermindert das Sicherheitsregime“, begründet SKI-Informationschef Anders Jörle die Strafanzeige: „Die Betriebsgenehmigung baut ja auf einer umfassenden Sicherheitsanalyse auf und legt genaue Grenzen fest, innerhalb deren Reaktorbetrieb erlaubt ist.“ Bei Forsmark will man wegen der nun eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Prüfung keine Kommentare zur Sache abgeben.

Zudem spricht die SKI dem Management in Forsmark unverhohlen ihr Misstrauen aus. Der Störfall hätte viel früher erkannt werden müssen, heißt es in dem SKI-Bericht. Die „Unterschätzung des Schweregrades“ sei auf „Mängel in der Instruktion und Schulung“ des Personals zurückzuführen. Deshalb muss Vattenfall bis zum 15. Dezember einen detaillierten „Maßnahmenplan“ vorlegen, nach dem „die Fähigkeit der Mitarbeiter zur Einschätzung, Klassifizierung und Untersuchung der Mängel sowie zur Ergreifung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen gestärkt“ werden soll.

Beim energiepolitischen Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Hans-Josef Fell, lässt diese Kritik der schwedischen Atomaufsichtsbehörde die Alarmglocken schrillen. Er befürchte, sagte Fell der taz, „dass diese Unsicherheitskultur auch bei den deutschen Atomkraftwerken Vattenfalls wie Brunsbüttel ein schweres Sicherheitsproblem ist“. REINHARD WOLFFSVEN-MICHAEL VEIT