: Tempel im Weinberg
ARCHITEKTUR Im spanischen Weinanbaugebiet La Rioja gibt es wunderbare Verkostungen. Aber nur zum Trinken sind die Bodegas viel zu schade
■ Die Weinstraße Rioja Alavesa verläuft entlang dem Fluß Ebro, der La Rioja durchquert. Folgt man ihr, kann man je nach Reise- und Tageszeit bei den verschiedenen Bodegas vorstellig werden. Möglich ist auch eine Voranmeldung.
■ Die Bodegas Baron de Ley sind auf der Strecke zwischen De Mendavia und Lodosa ausgeschildert. www.barondeley.com, Tel. (00 34) 9 48-69 43 03
■ Die Weinstube Santiago Ijalba liegt in der Avenida de La Rioja in Gimileo. www.santiagoijalba.com, Tel. (00 34) 9 41-30 42 31
■ Die Bodega Valdelana ist in der Puente Barricuelo 67-69 in Elciego zu finden. www.bodegasvaldelana.com, Tel. (00 34) 9 45-60 60 55
■ Mit Hotel: Die Bodega Marques de Riscal liegt in der Torrea 1 in Elciego. www.marquesderiscal.com, Tel. (00 34) 9 45 -60 60 00
■ Bei der Bodega Campo Viejo kann man sich gleich auf der Homepage für eine Führung anmelden. Sie liegt in der Camino de Lapuebla 50 in Logroño. www.campoviejo.com, Tel. (00 34) 9 41-27 99 00
■ Weitere Adressen gibt es beim Kontrollrat der Region Rioja: www.riojawine.com
■ Für die Vorabrecherche nutzte die Autorin eine Einladung des Kontrollrats der Region Rioja.
VON BEATE WILLMS
Klar, manch einem genügt die Weinprobe: ein blinkendes, großbauchiges Glas mit ein, zwei Fingerbreit tiefroter Flüssigkeit. Mal ins Bräunliche spielend, mal ins Violette, je nach Alter. Man kann es schwenken, „den Wein tanzen lassen“, sagen sie hier, die Farbe abschätzen, schnuppern, einen Schluck nehmen, im Mund herumschieben. Man kann den Tropfen in die bereitstehenden Schalen ausspucken oder auch schlucken.
Solche Verkostungen können wunderbar zelebriert werden. Dazu Brot, salziges Gebäck, ein Stück Manchego oder Serrano. Im Ohr die Erklärungen des Winzers, die Fachsimpelei der echten oder selbst ernannten Weinexperten über die Kombination der Trauben oder die Vorteile französischer oder amerikanischer Eiche für den Ausbau in den Barriques. Man kann sich wegtragen lassen von diesem Geplätscher und auf die Unterschiede der Weine konzentrieren.
Genauso gut kann man sich aber auch einfach davonmachen und mit dem noch einmal aufgefüllten Glas in der Hand durch die Bodega schlendern. Und staunen: nicht nur über den sauberen industriellen Charme der gigantischen Edelstahltanks, in denen der werdende Wein die erste Zeit verbringt, über die klare Struktur der in schnurgeraden langen Reihen gestapelten Holzfässer im Dämmerlicht, in denen er später ruht und reift. Sehenswert sind vor allem die Gebäude selbst. Paläste so manche, Tempel geradezu, andere futuristisch und wie aus einer fremden Welt.
300.000 Menschen wohnen in La Rioja, in der kleinsten autonomen Gemeinschaft Spaniens, dem Anbaugebiet des bekanntesten dort hergestellten Weins. Sie liegt im Hinterland, zwischen dem Baskenland und Navarra im Norden, Aragonien im Osten und Kastilien-Léon im Süden und Westen, nur 90 Kilometer von Pamplona und 150 Kilometer von Bilbao entfernt. Allein 20.000 Riojaner leben vom Anbau der Trauben, in 400 Bodegas wird der Wein gekeltert.
„Und der Rioja ist kein einfacher Wein“, sagt Ana Pelarda. Sie arbeitet in der Bodega Valdelana, die kürzlich umgezogen ist und an ihrem früheren Stammsitz ein kleines Museum der Sinne eingerichtet hat. Hier lernt man, welche Farbe jüngerer und älterer Wein hat, kann üben, die verschiedenen Aromen zu unterscheiden – und natürlich die hauseigenen Weine verkosten.
Was macht den Rioja so kompliziert? „Nicht kompliziert“, meint Pelarda. „Teuer.“ Der Wein bleibt so lange in den Bodegas, bis er trinkreif ist. Mindestens zwei Jahre der Crianza, davon mindestens ein Jahr im Eichenfass, drei der Reserva und sogar fünf der Gran Reserva, davon zwei im Barrique-Ausbau. Deshalb sind die Lager so riesig, ist auch die Preisgestaltung schwierig. Und jetzt, wo die Krise die Spanier zum Sparen zwingt, müssen die Weine billiger werden. Zumal die Konkurrenz nicht nur aus Italien und Frankreich groß ist. Auch andere spanische Weine drängen in die Regale. Die besondere Architektur vor allem neuerer Bodegas soll deshalb einen zusätzlichen Anreiz bieten, die Region zu bereisen und vor Ort einzukaufen.
Eine der gewagtesten Konstruktionen stammt von Frank Gehry, dem Architekten des Guggenheim Museums in Bilbao, das jährlich bis zu einer Million Besucher anlockt. Und das sieht man auch. Weinrote, goldene und silberne Bänder aus Stahl und Titan scheinen in sich verschlungen über den Weinbergen der Bodega Marques de Riscal zu schweben, filigran und ein bisschen chaotisch. Stützpfeiler, viel Glas, schiefe Wände und schräge Fensterfronten vervollständigen den Eindruck, es handle sich mehr um eine Skulptur als um ein Gebäude. Sie wirkt ein wenig fremd in dem Dörfchen Elciego mit seinen Lehmhäusern und der alten Kirche.
Eine ganz andere Philosophie vertritt man in der Bodega Juan Alcorta. „Wir haben versucht, die Merkmale der Landschaft aufzugreifen“, erklärt Exportmanager Álvaro García Ogara das neu gestaltete Weingut nordwestlich von Logrono, wo der Campo Viéjo hergestellt wird. Es liegt auf dem abgeflachten Hügel La Rad de Santa Cruz, rund 100 Meter über dem Ebro.
Beton, Naturstein, Stahl, aber auch amerikanische Weißeiche, Ahorn und Zeder wurden hier verbaut. Davon zu sehen bekommt man aber bei der Anfahrt zunächst wenig. Die Außenflächen wurden drastisch reduziert, der größte Teil der Gebäude ist in den Hügel hineingebaut, unterirdisch sozusagen. Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Gestein bieten dem Wein optimale Bedingungen. Was man von außen von der Bodega sieht, korrespondiert mit dem Hügel selbst: flache Gebäude und horizontale Linien, die sich mit riesigen Panoramafenstern und der mit Zedernholz verschatteten Terrasse in die Landschaft öffnen.
Nicht weit davon entfernt kann man sich in einer anderen Zeit wiederfinden. Ausgerechnet die Bodega Baron de Ley, die sich nicht scheut, auch deutsche Discounter zu beliefern, hat sich in einem Kloster aus dem 16. Jahrhundert niedergelassen.
ROBERTO IJALBA, WINZER
Doch nicht alle Winzer haben sich auf den Wettbewerb um die aufregendste Bodega eingelassen. Vor allem die kleineren Familienbetriebe könnten dabei ohnehin nicht mithalten. Für die Familie Ijalba ist der Firmensitz, der einfach aussieht wie eine Finca, zugleich ihr Zuhause. In der Eingangshalle, die auch als Büro und Empfangsraum dient, steht das Hochzeitsfoto der Eltern auf einem Tischchen. Auf dem Kamin Nippesfiguren. Es fehlt der heilige Ernst der großen Weingüter. Dafür wird hier gelebt.
Drei Generationen unter einem Dach. Vater Santiago führt den Betrieb, das Marketing, und die neuen Ideen kommen vom Sohn Roberto. „Ich hab einen anderen Blick auf die Dinge hier“, sagt er. Schließlich hat er drei Jahre lang Weinanbau in Madrid studiert und eine Sommelierausbildung gemacht. Einfach sei es allerdings nicht, alte Gewohn- und Gewissheiten des Vaters über den Haufen zu werfen. Deshalb geht er nur behutsam vor. „Den Rioja-Style, den müssen wir erhalten“, sagt er. „Wir haben das Keltern nicht erfunden. Menschen machen das seit Hunderten von Jahren. Wir wollen es möglichst perfekt machen.“
Das heißt nicht, dass er nicht schon einiges verändert hat. Am meisten freut ihn, dass die Weine inzwischen alle bio sind, auch wenn sie noch nicht als solche verkauft werden können. Denn nicht alle Weinbauern, die die Ijalbas beliefern, wollen sich die Zertifizierung leisten.
Führungen und Verkostungen kann man aber auch hier haben. Sogar aus wunderhübschen Gläsern mit eingraviertem Familienlogo. 3 Euro kostet der Rundgang, 3 weitere der Wein.
„Was in Spanien nichts kostet, wird auch nicht ernst genommen“, meint Ijalba. Dafür gibt’s manchmal noch ein paar andere hauseigene Spezialitäten dazu. Mutter Ijalba ist eine großartige Köchin und bringt Tomaten, Zucchiniblüten und Zwiebeln aus dem eigenen Garten auf den großen runden Tisch. Als Nachtisch gibt es Birne – natürlich in Rioja.