Tödliche Prügel

In Russland gehen die Journalisten-Morde weiter. In einem Fall wurde nun ein Verdächtiger festgenommen – die Ausnahme in Putins Reich

Von Barbara Oertel

Die Aussage, dass Russland für Journalisten einer der gefährlichsten Arbeitsplätze weltweit ist, hat sich wieder einmal bewahrheitet. In der vergangenen Woche wurde der Fernsehjournalist Konstantin Borowko in Wladiwostok ermordet. Borowko, der eine Kultursendung moderierte, war nach Wladiwostok gefahren, um dort eine Prüfung abzulegen. Beim Verlassen eines Nachtclubs am früheren Samstagmorgen wurde der 25-Jährige überfallen und zu Tode geprügelt, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete.

Anders als Borowko kam die Reporterin der Tageszeitung Westi, Tamara Golowanowa, aus der ostrussischen Stadt Partisansk noch vergleichsweise glimpflich davon. Ebenfalls in der vergangenen Woche recherchierte Golowanowa in der städtischen Arbeitsvermittlung. Dort hatten sich Dutzende Mitarbeiter einer Firma versammelt, um sich zu beschweren, dass sie nicht bezahlt worden seien. Als die Reporterin die Wartenden fotografierte, wurde sie von einem Mann aufgefordert, dies zu unterlassen. Als sie dennoch weitermachte, wurde der Unbekannte deutlicher und schlug Golowanowa brutal zusammen. Derzeit liegt sie mit Gehirnerschütterung und gebrochenem Nasenbein im Krankenhaus. Laut Moscow Times haben die Behörden mittlerweile einen Verdächtigen verhaftet, der die Reporterin angegriffen haben soll.

Sollte es sich bei dem Verhafteten wirklich um den Täter handeln, wäre das für russische Verhältnisse ein echter Fortschritt. Normalerweise werden in Russland Verantwortliche für Verbrechen an Journalisten nur in den seltensten Fällen zur Rechenschaft gezogen. Nach Angaben der US-Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) fielen in Russland seit dem Amtsantritt von Präsident Wladimir Putin im Jahr 2000 13 Journalisten Auftragsmorden zum Opfer. Keiner dieser Morde wurde bislang aufgeklärt. Insgesamt wurden in Russland seit 1992 44 Medienvertreter getötet.

Doch nicht nur ergebnislose Ermittlungen bei Verbrechen an Journalisten sind für Russland typisch. Häufig sind die Behörden auffallend darum bemüht, jegliche Zusammenhänge zwischen der Tat und dem Beruf des Opfers zu leugnen. Überdies werden die Verwandten der Opfer kaum über den Stand der Ermittlungen informiert.

Nicht zuletzt, um ihrer Forderung nach umfassenderen und effektiveren Ermittlungen im Fall der getöteten Journalistin Anna Politkowskaja Nachdruck zu verleihen, besuchte eine CPJ-Delegation Anfang dieser Woche die russische Hauptstadt. Die Reporterin, die sich vor allem mit ihren Berichten über Tschetschenien einen Namen gemacht hatte, war im vergangenen Oktober vor ihrem Moskauer Wohnhaus erschossen worden.

Zu merklichen Verstimmungen kam es, als die CPJ-Vertreter bei einer Pressekonferenz in Moskau verkündeten, vom Sprecher des russischen Außenministeriums erfahren zu haben, dass die Staatsanwaltschaft in Sachen Politkowskaja in Kreisen tschetschenischer Polizisten ermittele. Das Außenministerium dementierte zunächst, unterstrich dann aber, dass dieses eine der möglichen Spuren sei, die derzeit verfolgt würden.

Zumindest das Außenministerium fühlte sich bemüßigt, die Delegation überhaupt zu empfangen. Ein Treffen mit dem Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kam indes genauso wenig zustande wie mit dem Generalstaatsanwalt Juri Chaika. Auf die Frage, was der Grund für die Absage sei, sagte eine Sprecherin Chaikas nur: kein Kommentar.