Das Fußballidol, das einmal fremdging

Feiert einer wie Uwe Seeler seinen 70. Geburtstag, steht pure Folklore auf dem Programm. Die Zahl der Gratulanten an diesem Sonntag dürfte lässig alle drei Stadien füllen, in denen Fußballbundesligist Hamburger SV je beheimatet war. Seeler, geboren am 5. November 1936, gehört zu den großen drei Gestalten der frühen deutschen Nachkriegsfußballgeschichte. Anders als Fritz Walter (1954) vor ihm und Franz Beckenbauer (1974) nach ihm, fehlt dem dritten DFB-Ehrenspielführer Seeler allerdings der Weltmeistertitel. Er schaffte es bei vier WM-Teilnahmen ins WM-Finale (1966) auf Rang 3 (1970), Rang 4 (1958) und ins Viertelfinale (1962).

Seit Tagen zelebriert der Hamburger Boulevard bereits die glanzvolle Vergangenheit des Mittelstürmers, die neben Toren (267 in 237 Oberligaspielen), Toren (137 in 239 Bundesligaspielen) und nochmals Toren (43 in 72 Länderspielen) nach einhelliger Ansicht ein besonderes Merkmal aufweist: Allerorts wird daran erinnert, dass der Mann aus dem Norden den Verlockungen des Geldes widerstand und lukrativste Angebote ausschlug. Monogam im Fußballerleben, zu 100 Prozent dem HSV verschrieben und erdverbunden wie kaum ein anderer – das sei Seeler, behaupten seine Biografen. Doch wie in jeder Biografie großer Persönlichkeiten findet sich auch beim an sich tadellosen Sportsmann Uwe Seeler ein dunkler Fleck. Er ist fremdgegangen, ein einziges Mal. Dabei muss er sich gar nicht dafür schämen, denn eigentlich sagt die Anekdote mehr über Seeler aus als manche abendfüllende Erzählung, weswegen der Jubilar noch einmal daran erinnert sei.

Am 23. April 1978 folgte er einer Einladung ins irische Städtchen Cork, um das Trikot des örtlichen FC Celtic überzuziehen. Seeler war 42 Jahre alt und hatte sechs Jahre zuvor sein letztes Spiel für den HSV absolviert. Der Schiedsrichter pfiff die Partie gegen die Shamrock Rovers an.

Seeler, der in gutem Glauben an einen lässigen Kick angereist war, wunderte sich ob der harten Gangart.

Allmählich wurde ihm aber bewusst, dass es hier nicht bloß um Spaß ging. Er war in einem Pflichtspiel gelandet. Daraufhin entschied er sich dafür, das Beste daraus zu machen. Cork verlor 2:6. Seeler erzielte beide Tore.

In seiner Biografie verschweigt er den Auftritt. Er sei von einem Freundschaftsspiel ausgegangen, entgegnete Seeler verlegen auf Nachfragen.

Die Datenbank Munzinger hat die Episode inzwischen in den Seeler-Kanon aufgenommen, und spätestens zum 75. Geburtstag dürfte sie dann zur Bestätigung des Seeler-Bildes herangezogen werden: Uns Uwe, der Mann, der immer alles gab. STEFAN OSTERHAUS