: Dealerin muss in den Knast
DROGEN Silke C. hat Crystal Meth verkauft – vielleicht auch an einen SPD-Innenpolitiker. Der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann lässt Posten im Landesvorstand ruhen
AUS BERLIN JULIA AMBERGER
BERLIN taz | Es ist ein trauriges Bild, das Staatsanwalt und Verteidiger in ihren Plädoyers von der Frau zeichnen, die vor ihnen auf dem Anklagestuhl kauert. Am Mittwoch verurteilte das Berliner Landgericht Silke C. zu drei Jahren Haft. In 16 Fällen hatte die 43-Jährige mit der laut Anklage „besonders gefährlichen“ Droge Crytal Meth gedealt – möglicherweise auch an den SPD-Politiker Michael Hartmann.
Das Urteil fiel vergleichsweise mild aus, da C. gegen große Dealer ausgepackt hatte. Ihr Geständnis lieferte aber keine Informationen zu dem wohl prominentesten mutmaßlichen Kunden. Sicher ist nur: Am 6. Oktober 2013 verkaufte Silke C. an einen gewissen Michael Hartmann. Deshalb ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Im Zuge der Ermittlungen gestand Hartmann, im Oktober letzten Jahres „in geringer eigenverbrauchsüblicher Menge“ die Droge Methamphetamin, auch bekannt als Crystal Meth, konsumiert zu haben. Es klingt naheliegend, dass er zu den Kunden der Berlinerin zählte – ist aber nicht bewiesen.
Nach seinem Geständnis lässt der Innenexperte der SPD nun auch seinen Vorstandsposten im Landesverband Rheinland-Pfalz ruhen. Am Dienstagabend nahm der Landesvorstand sein Angebot an, alle Parteiämter abzugeben, bis der Fall strafrechtlich geklärt ist. Danach werde er für sich entscheiden, „ob und in welchen Bereichen er politisch arbeiten wird“, teilte die Landes-SPD mit.
Von seinem Amt als innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion war Hartmann zurückgetreten, als die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelte und seine Immunität aufgehoben wurde.
Hartmann nahm seinem Anwalt zufolge Crystal Meth, weil er gehofft hatte, leistungsfähiger zu sein. „Auch eine psychisch und physisch fordernde Phase kann nie Entschuldigung dafür sein, zum Zwecke der Leistungssteigerung Drogen zu nehmen“, erklärte dazu der rheinland-pfälzische SPD-Landesvorstand.
Auf den ersten Blick haben Hartmanns Kreise wenig gemein mit den Lebenswelten seiner mutmaßlichen Dealerin. C. arbeitete als Ergotherapeutin, bekam zwei Kinder. Nach einer Operation brach sie psychisch zusammen. Die Kinder zogen aus, ihr Partner setzte sie vor die Tür. Rund drei Jahre nahm sie Crystal Meth – und war zunächst „gut drauf, wieder leistungsstark“, zitiert sie ihr Verteidiger. Doch allmählich verwahrloste ihr Kleingarten in Berlin. Sie wurde Dealerin.
Zwischen Februar 2013 und Januar 2014 handelte sie mit Crystal Meth aus der Gartenlaube heraus. Mehr als 2 Kilo hat sie von Großdealern aus Leipzig gekauft und an vier Kunden in Berlin weiterverkauft. C. erzeugt von sich das Bild eines Opfers. Als ihr Verteidiger sein Statement vorliest, bittet sie um ein Taschentuch. Dann sagt sie: „In der Zeit, in der ich konsumiert habe, habe ich nette Menschen zu Monstern werden sehen.“