Die weichen Dünen von Tel Aviv

„This Place is my Place – Begehrte Orte“: Der Hamburger Kunstverein präsentiert sieben internationale KünstlerInnen, die sich in Zeichnungen, Videos und Installationen mit den Folgen der Globalisierung beschäftigen. Mit sehr unterschiedlichem Erfolg

Sie heißen „Kings of the Hill“, aber so sehen sie nicht aus. Als ob sie es bei Sisyphus gelernt hätten, graben sich die Geländewagen israelischer Jugendlicher in die Sanddünen von Tel Aviv. Immer wieder suchen sie das Gelände mit Autos zu bezwingen. Als Hobby betrachten die von der israelischen Künstlerin Yael Bartana gefilmten Männer ihre Mühsal, die abends im Scheinwerferlicht fast in Lagerfeuer-Romantik mündet.

Das Video der Israel-kritischen Künstlerin markiert den Beginn der Schau „This Place is my Place – Begehrte Orte“ im Hamburger Kunstverein, der Werke von sieben KünstlerInnen präsentiert. Mit den Folgen der Globalisierung befassen sich die aus Israel, Mexiko, Italien, Rumänien, Slowenien, den USA und Australien stammenden KünstlerInnen, und sie tun es auf vielfältige Art: Nicht nur, dass Yael Bartanas Dünenfahrzeuge fatal Panzern gleichen, die sich durch unwegsames Gelände der besetzten Gebiete quälen, ohne Erfolg – Frieden – zu bekommen. Die immer wieder an der selbst gesetzten, sinnlosen Herausforderung scheitern.

In eine neue Ordnung sucht auch Armin Linke die Welt zu bringen – auf Fotos, die er in Dreier- und Viererserien arrangiert. Einen Weltatlas will er erstellen, doch interessanter ist das Detail: Hunderte usbekischer Plastik-Wasserflaschen, absurd gelagert in einer Art Beton-Bunker, hat er etwa fotografiert. Anderswo liegen – neben einem Foto einer Computer-Recycling-Firma – zu weihende Bischöfe auf dem Petersdom-Boden. Daneben eine multireligiöse Synagoge. Computer-, Bischofs-, Religions-Recycling? Vordergründig beantwortet der Künstler solche Fragen nicht, wirft nur einen ironischen Blick auf das Streben der Spezies Mensch. Etwa, wenn in der Sahara ein riesiger Stein wie ein Dinosaurier-Ei vor einen Panzer liegt.

Wem das an Hegemonialkritik noch nicht reicht, der kann sich zu den „Black Sea Files“ genannten Videos Ursula Biemanns begeben und sich der Unbill widmen, die die neue kaspische Ölpipeline über die dortige Bevölkerung brachte. Mit dem stoischen Blick der Feldforscherin hat die Künstlerin zum Landverkauf genötigte Bauern, Ölarbeiter und Prostituierte gefilmt. Ein asymmetrisches Panorama ist so entstanden, das disparate Teile der Welt verbindet und Anonymität aufzuheben sucht.

So weit, so informativ. Bedauerlich nur, dass die Globalisierungskritik eines osteuropäischen Künstlers wie des Rumänen Dan Perjovschi, der die Selbstkolonisierung seines eigenen Landes zuvor durchaus scharf analysierte, recht schlicht ausfällt: Mit Cartoon-Elementen gemischte Graffiti hat er auf die Wand gemalt, hat Sentenzen wie „Mozart is a candy, Warhol a wallpaper, Revolution a perfume“ notiert und „art has no limits“ an den linken Rand gemalt. Und deren Ecke dann auf der anderen Seite doch überschritten. Ein gefahrloses Manöver im geschützten Raum des Kunstvereins, das mit der mutig interventionistischen Kunst, die er sonst pflegte, wenig zu tun hat.

Das Gruppenbild chinesischer Bauarbeiter wiederum, das die Australierin Yuk King Tan gefertigt hat, hat vorrangig dokumentarischen Wert: Den Bau eines Gerichtsgebäudes in Polynesien durch die chinesische Regierung hat sie – die chinesischen Arbeiter ablichtend – mittelbar ins Bild gebannt. Ein Geschenk, das deren Regierung bewegen soll, für die Wiederaufnahme Chinas in die UN zu stimmen.

Und die Moral? Angemessen über Globalisierung zu reden ist schwer. Denn Globales zeigt sich im Detail, das nicht-folkloristisch zu betrachten kaum möglich ist. Auch der Künstler verharrt immer im „Kolonisatoren“-Blick auf die Opfer. Er kommt nicht auf Augenhöhe mit seinen Objekten, bleibt in Globalisierungs-Strukturen verfangen. Am stärksten ist die Schau daher dort, wo sie sich auf Kritik am eigenen Land beschränkt: in Yael Bartanas inner-israelischem Film. PETRA SCHELLEN

Die Ausstellung ist bis zum 6. Mai im Hamburger Kunstverein zu sehen