: Das beste Steak der Welt
FLEISCH Dry Age Beef reift in der Kühlkammer. Das entzieht Wasser und aktiviert die Enzyme. So wird es zarter und intensiver im Geschmack, verliert aber auch an Masse
VON MICHAEL PÖPPL
Es ist von feinen Fettlinien durchdrungen, eher blassbraun als leuchtend rot, der Knochen steckt noch drin: Das Tomahawk-Steak im Kühler des Delikatessen Discounter reifte mehr als vier Wochen in einem Spezialkühlschrank, bei niedriger Temperatur zwischen 1 und 3 Grad, hoher Luftfeuchtigkeit und ständiger Zirkulation. Das Dry-Age-Verfahren stammt aus den USA: Das Reifen in der Kühlkammer entzieht Wasser und aktiviert die Enzyme, das Fleisch wird zarter und intensiver im Geschmack, verliert allerdings auch an Masse. Die durchschnittlichen Lagerzeiten liegen, je nach Herkunft des Fleischstücks, zwischen drei und acht Wochen.
Normalerweise hängt Rindfleisch rund zwei bis drei Wochen in der Kühlkammer, bei heutiger industrieller Fleischproduktion wird sogar das Rindfleisch kurz nach der Schlachtung zerlegt und vakuumiert. Das kennen auch viele Fleischer nicht mehr anders. „Wenn wir neue Kollegen einstellen, oft mit langjähriger Berufserfahrung, sind sie immer wieder erstaunt, welchen Aufwand wir bei der Fleischverarbeitung und der Lagerung betreiben“, sagt Thomas Nelkner, Fleischfachmann vom Delikatessen Discounter Berlin. Der Laden sieht von außen erst einmal aus wie ein klassischer Supermarkt, doch das Angebot unterscheidet sich deutlich. „Wir versuchen, in jedem Bereich etwas Besonderes anzubieten, und suchen immer wieder nach ungewöhnlichen Lebensmittelproduzenten. Zu unseren Lieferanten gehören deshalb auch viele kleine Manufakturen“, sagt Geschäftsführer Stefan Völker. Neben ausgesuchten Käsesorten und einer sehr guten Weinauswahl beeindruckt vor allem die Fleischtheke, über der in einem kleinen Glaskühlschrank verschiedene Dry-Age-Stücke liegen. „Es fing damit, dass wir selbst gern gut essen“, sagt Völker. „Irgendwann kam die Frage auf: Warum schmeckt ein Steak, das ich im Restaurant serviert bekomme, anders als eines, das ich mir zu Hause brate?“
Die Antwort war einfach: Es liegt an der Fleischqualität, Produkte aus industrieller Massenfertigung sind zu mager und enthalten zu viel Wasser. Die Fettmarmorierung des Dry-Age-Fleischs zeigt auch, ob ein Tier artgerecht aufgewachsen ist. Oft handelt es sich um „Zweitnutzungsrinder“, Kühe, die schon mehrfach gekalbt haben, auch das kann ein Fachmann am Fleischstück sehen. Nelker kennt fast alle seine Lieferanten persönlich, Biobauern sind nicht darunter: „Traditionelle Landwirtschaft braucht kein Biosiegel. Nehmen Sie etwa das Iberico-Schwein, das wächst halbwild auf, da käme niemand darauf, sein Fleisch zertifizieren zu lassen. Für alles gute Fleisch gilt, dass es von freilaufenden Tieren stammen muss.“
Auch in der Gastronomie ist Dry-Age-Fleisch sehr gefragt: lieber weniger Tierisches essen, dafür aber von guter Qualität. Von einem der Gasträume des Restaurants The Grand hat man einen guten Blick auf das, was im gläsernen Reifekühlschrank liegt: Bistecca Fiorentina, Simmentaler Rind aus den Alpen oder Grand Coast Beef aus Schleswig-Holstein. „Unsere Grundsätze sind einfach“, sagt Küchenchef Timo Roth. „Unser Fleisch kommt nur von Tieren, die im Freiland gehalten werden. Wir kaufen nichts von Masttieren, auch nichts von Rindern, die eventuell mit Gengetreide zugefüttert wurden.“ Roth, der früher im angesagten Restaurant Rodeo kochte, stammt selbst aus einer Schlachterfamilie, er kennt sich aus. Das angelieferte Fleisch darf im hauseigenen Kühlschrank noch mindestens eine Woche nachreifen. Für die Zubereitung seiner legendären Entrecôtes nutzt er einen South Bend Grill, der bis zu 800 Grad Celsius heiß wird. Das Fleisch mitsamt Knochen liegt dort nur rund 90 Sekunden in der Hitze, karamellisiert leicht und entwickelt feine Röstaromen. Danach geht es 18 Minuten in den Ofen bei 160 Grad, wo es „medium rare“ wird, weitere 20 Minuten zum Entspannen in den „Chiller“ bei 54 Grad. Gewürzt wird nachträglich mit grobem englischem Maldonsalz, sonst nichts. Das Entrecôte schmeckt nussig, hat eine leichte Karamellkruste, ist zart, aber mit einem leichten Biss. Besser kann ein Steak wirklich nicht sein.
■ Dry Age Beef essen: www.the-grand-berlin.com, www.thebrooklyn.de, www.grillroyal.com, www.restaurant-wilsons.de, www.filetstück-berlin.de
Dry Age Beef kaufen: www.essenwieimrestaurant.de, www.frischeparadies.de, www.kaisers.de