: Überdosis Fehler
Wie die Falschmeldung vom Suizid der Schauspielerin Birge Schade in die Ticker kam
Eine Meldung des Berliner Tagesspiegels sorgte am Montag für Aufruhr – und ihr Widerruf fast noch mehr. Die hochschwangere Schauspielerin Birge Schade, letzte Woche noch in der ZDF-Komödie „Krieg der Frauen“ zu sehen, habe sich im Alter von 41 Jahren das Leben genommen, meldete die Zeitung und berief sich auf eine im Namen der Agentur der Darstellerin verschickte E-Mail. Darin hieß es, Schade sei „durch eine Überdosis Schlafmittel aus dem Leben geschieden“. Der Tagesspiegel setzte diese Information sofort online und reichte sie, wie bei Exklusivmeldungen üblich, an die Nachrichtenagenturen weiter. AFP speiste sie sogleich in den Ticker ein, während AP zur Rückversicherung bei Schades Agentur anrief. Diese widerrief die Falschmeldung bestürzt, Birge Schade und ihr ungeborenes Kind waren und sind wohlauf. Nach 35 Minuten nahmen AFP und Tagesspiegel die Meldung zurück.
Was bleibt, ist die Frage, wer ein Interesse an der Falschmeldung hatte. „Psycho-Terror gegen Berliner TV-Star“, titelte gestern das Boulevard-Blatt B.Z. und hat damit wohl ausnahmsweise recht. Wer genau jedoch hinter der geschmacklosen E-Mail steckt, wird sich wohl nicht feststellen lassen. So leicht es ist, einen Absender zu fälschen, so leicht ist es auch, die eigenen Spuren im World Wide Web durch die verschiedensten Server zu verwischen.
Schades Agentur prüft derzeit rechtliche Schritte. Noch ist aber unklar, gegen wen sie klagen könnte. Zwar hätte die Tagesspiegel-Redaktion ob der für eine offizielle Todesmeldung ungewöhnlichen Anrede „Liebe Freunde“ und des jovialen Zusatzes „Näheres zu den Trauerfeierlichkeiten in Berlin erfahrt Ihr in Kürze“ stutzig werden können. Doch ob sie tatsächlich ihre Sorgfaltspflicht verletzt hat, als sie die Meldung ohne Gegenrecherche an die Agenturen weitergab, ist mehr als fraglich. Bei einer Klage hätte die Zeitung wohl gute Aussichten, sie mit dem Verweis auf die kurze Produktionszeit von tagesaktuellen Medien abzuwehren. Michael Schmidt