: berliner szenen Grün sein mit Qualm
Umweltverschmusung
Es war Nachmittag und in den Fluren tobte das Leben. Nachdem wir noch ein bisschen Schuhe-und-Schultaschen-durch-die-Gegend-Werfen gespielt hatten, setzten wir uns in unsere Papierflugzeuge und flogen damit die Treppen runter. A. bevorzugte dabei ein anderes Modell als ich und der lachende Pädagoge hatte wieder andere Vorstellungen. Gewonnen hatte immer derjenige, der am weitesten kam oder ohne anzuecken am besten um die Kurve im Treppenhaus flog.
Auf dem Tuschbild, das in dem Treppenhaus hing, war ein rauchendes Kraftwerk neben einer Zigarette, unter der „Sigarete“ stand. Kraftwerk und „Sigarete“ waren rot durchgestrichen. Das Bild hieß: „Keine Umweltverschmusung – Die grüne Partei“. Die grüne Partei gefällt mir aus zahlreichen Gründen noch besser als die Grünen, die ich meist wähle, obgleich ich viel rauche, also zu denen gehöre, die fraktionsübergreifend abgeschaltet werden sollen.
Früher haben die Grünen auch ständig geraucht. Wenn man jemanden rauchen sah, dachte man gleich, „das ist ein Grüner“, ging hin und fragte den/die GesinnungsfreundIn, wo hier denn die nächste Demo sei. Manche haben dabei kritische Rockmusik von Bots, BAP oder Bob Dylan gehört. Aber früher ist gestern und wenn ich A. von der Schule abhole, rauche ich nur selten. Die Art, wie er nicht raucht, ist nämlich ansteckend. Wir fahren also lieber U-Bahn, träumen davon, einmal auf die schönen Berge kurz hinter dem Gleisdreieck zu steigen, und bei Meinungsverschiedenheiten lassen wir unsere Hände per Tschingtschangtschong (ohne Brunnen) entscheiden. Diese Entscheidungen sind selten bindend. Deshalb stehen wir hier immer noch auf dem Bahnsteig.
DETLEF KUHLBRODT