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Archiv-Artikel

Der Eingehandelte

Gladbach präsentiert Neuheit im Trainergeschäft: Der Nachfolger wurde schon geholt, bevor Heynckes ging

Die Meldung überraschte: Zum Jahreswechsel holte sich Fußballbundesligist Mönchengladbach noch einen Co-Trainer. Cheftrainer Jupp Heynckes wurde vor vier Wochen Jos Luhukay an die Seite gestellt – mit Walter Junghans, Uwe Kamps hatte der vom Abstieg bedrohte Tabellensechzehnte drei Assistenten. Wie gestern deutlich wurde, handelte die Vereinsführung der Borussia durchaus vorausschauend: Denn der so erfolglose wie deprimierte Heynckes erklärte nach dem Null zu Null gegen Nürnberg seinen Rücktritt. Und Luhukay wurde sein Nachfolger. Kurios: Wäre der Mann aus Venlo nicht in Gladbach beschäftigt – er wäre der Topfavorit auf den Fußballchefposten der Borussia.

Ob Bielefeld, Braunschweig oder Aachen – kaum eine Trainerdiskussion in dieser Saison, ohne dass Luhukay nicht als Nachfolger gehandelt wurde. Dabei hat der Niederländer mit molukkischen Wurzeln kaum Erfahrungen als Chefcoach. Beim Aufsteiger SC Paderborn sorgte er ein Spieljahr für den Klassenerhalt. Doch bereits im August verabschiedete er sich, das Verhältnis zum Präsidium war zerrüttet. Zuvor trug der zweifache Vater mit grenznahem Wohnsitz nur in Straelen und Uerdingen sportliche Verantwortung. Sein Ruf ist dennoch tadellos.

Luhukay gilt als hervorragender Fachmann. Was vermutlich vor allem auf seine dreijährige Assistenzzeit beim FC Köln zurückgeht und einen guten Riecher fürs Talent: Zusammen mit Cheftrainer Marcel Koller lotste er damals Lukas Podolski zu den Profis. Später, beim SC Paderborn, ließ er in der Provinz tatsächlich munteren Fußball spielen – systemisch, aber nicht langweilig. Als Profi von Venlo und Schiedam ging Luhukay eben durch die holländische Schule.

Aber weshalb er sich als Hochgehandelter erst mit dem schnöden Gladbacher Assistenzjob begnügte? Oder ob Luhukay nicht doch schon als Trainerjoker verpflichtet wurde, falls es mit Heynckes weiter bergab geht? Wollte er seinem Chef also wirklich helfen – oder eher nicht? Fragen, die gestern keine Antwort fanden. Und sollte der 43jährige nur halb so gut sein wie sein fachlicher Ruf, werden sie schon am Samstag, nach der Auswärtspartie bei Arminia Bielefeld vergessen sein. CHRISTOPH SCHURIAN