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Archiv-Artikel

Der gläserne Mieter

SELBSTAUSKUNFT Wer eine Wohnung anmieten möchte, muss meist erst mal bereitwillig Auskunft über sich selbst und seine Finanzen geben. Doch nicht alle Fragen sind erlaubt

Den Vermieter geht es nichts an, welche politische Einstellung der potenzielle Mieter hat

VON KRISTINA SIMONS

Welche Musik hören Sie? Haben Sie Haustiere? Sind Sie Mitglied in einer Mieterorganisation? Mit solchen Fragen ist bisweilen konfrontiert, wer eine neue Wohnung anmieten möchte.

Zum Beispiel Anna Bach*. Mehrere Monate lang war sie auf Wohnungssuche, hat sich auf diverse Angebote beworben und musste dabei immer wieder mehr von sich preisgeben, als ihr lieb war. Denn vor dem Mietvertrag ist nach der Selbstauskunft. „Die Fragen waren teilweise sehr persönlich“, erinnert sie sich. „Aber was soll man machen, wenn man eine Wohnung unbedingt haben will?“

Mietinteressenten sollten Selbstauskunfts-Fragebögen grundsätzlich komplett ausfüllen, um ihre Chance auf die Wohnung nicht gleich zu verspielen. Allerdings müssen sie nicht alle Fragen korrekt beantworten, sondern nur die, die für den Abschluss des Mietvertrages von Bedeutung sind und an denen der Vermieter deshalb berechtigterweise interessiert ist.

Nach Ansicht des Deutschen Mieterbundes (DMB) können Mietinteressenten unzulässige Fragen dagegen so beantworten, wie sie wollen, ohne negative Folgen befürchten zu müssen. Auf die Frage nach der bevorzugten Musikrichtung ist „Klassik“ zum Beispiel eine günstigere Antwort als „Heavy Metal“.

„In erster Linie drehten sich die Fragen aber immer um meine finanziellen Verhältnisse“, so Bach: um Einkommen, Dauer des Arbeitsverhältnisses, mögliche Schulden. „Fragen nach den Einkommensverhältnissen und der beruflichen Stellung sind grundsätzlich zulässig, da sie dem Vermieter Rückschlüsse auf die Bonität des Mieters ermöglichen“, sagt Juliane Heinrich, Sprecherin des Bundesdatenschutzbeauftragten.

„Es muss aber im Einzelfall geprüft werden, ob Mietinteressenten dem Vermieter ihre kompletten Einkommens- oder gar Vermögensverhältnisse darlegen müssen“, ergänzt DMB-Justiziar Norbert Eisenschmid. Daher seien zusätzliche Fragen nach dem Einkommen von Angehörigen des Mieters sowie detaillierte Fragen zur persönlichen Finanzsituation unzulässig: also etwa danach, ob man Teilzahlungskredite in Anspruch nimmt oder Wohngeld bezieht. „Erlaubt ist dagegen die Frage, ob man eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat“, so Eisenschmid. Denn das sei auch im öffentlichen Register einsehbar.

In der Regel verlangen Vermieter zudem eine Bonitätsauskunft von der Schufa oder einer anderen Auskunftei. Das sei zulässig, so Heinrich, da für den Vermieter von wesentlicher Bedeutung für das Entstehen und den Fortbestand des Mietverhältnisses. Seit April 2010 können Mieter einmal im Jahr kostenlos eine Selbstauskunft einholen, die allerdings sehr viel umfangreicher ist als die eigentlich vom Vermieter angeforderte Bonitätsauskunft.

„Mit der Selbstauskunft erhalten die Vermieter auch eine Fülle von Daten, die eigentlich nur für den Betroffenen selbst gedacht sind und deren Kenntnis für den Abschluss des Mietvertrages nicht erforderlich ist“, kritisiert Eisenschmid. Im Hinblick auf das Recht zur informationellen Selbstbestimmung sei das bedenklich, da der Mietinteressent zur Offenlegung von persönlichen Daten verpflichtet werde, die keinen Bezug zum Vertragsabschluss hätten. „Es ist daher rechtlich umstritten, ob Vermieter die Vorlage einer Selbstauskunft verlangen dürfen.“

Bonitätsauskünfte über Mietinteressenten seien an bestimmte Anforderungen geknüpft und nicht unbegrenzt zulässig, betont auch Heinrich. Erlaubt sind nur Angaben, die eindeutige Rückschlüsse auf Mietausfallrisiken zulassen. Dies können Daten aus öffentlichen Schuldner- und Insolvenzverzeichnissen über negatives Zahlungsverhalten sein, sofern sie eine Bagatellgrenze von 1.500 Euro überschreiten.

Erlaubt sind auch Fragen nach Bestand und Dauer des Arbeitsverhältnisses, ebenso nach der Anzahl der Personen, die in die Wohnung einziehen wollen. „Darüber hinaus muss dem Vermieter ein berechtigtes Interesse daran zugestanden werden, ob ein Paar verheiratet ist, in welchem Umfang der Mieter Familienangehörige in die Wohnung mitbringt und ob Haustiere mit einziehen“, so Eisenschmid. Zulässig sind auch Fragen nach der Identität des Mietinteressenten und auch nach dem Alter.

Dagegen geht es einen Vermieter nichts an, welche politische Einstellung sein potenzieller Mieter hat, ob er oder sie Mitglied in Vereinen oder einer Mieterschutzorganisation ist, wie es mit der Familienplanung aussieht oder ob Vorstrafen vorliegen. „Diese Fragen sind nicht für Abschluss, Durchführung oder Beendigung des Mietverhältnisses erforderlich und daher unzulässig“, bestätigt Heinrich.

„Auch die Fragen, ob der Mieter schon einmal eine Wohnung angemietet hat oder welchen Grund oder Anlass es für den Wohnungswechsel gibt, haben für die Zahlungswilligkeit des Mieters keine Aussagekraft“, so Eisenschmid. Das gelte auch für die Frage nach möglichen Vorstrafen. „Das Interesse des Vermieters muss hier wegen des mit der Auskunft verbundenen Stigmatisierungseffekts gegenüber den schutzwürdigen Belangen des Mieters zurücktreten.“

Problematisch ist auch die häufig verlangte „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“ des Vorvermieters. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes haben Mieter gegenüber dem früheren Vermieter keinen Anspruch auf eine solche Bescheinigung (BGH vom 30. 9. 2009, VIII ZR 238/08). „Schon aus diesem Grund kann einem Mieter nicht zugemutet werden, sie bei der Neuanmietung vorzulegen“, sagt Eisenschmid. Zudem seien diese Daten schon deshalb unzulässig, da sich aus ihnen nicht der Grund für die angeblich ausstehenden Forderungen ergebe. Denn dahinter kann zum Beispiel eine zulässige Mietminderung stecken. Wer die gewünschte Wohnung nicht bekommt, kann den ausgefüllten Fragebogen im Übrigen zurückverlangen.

* Name von der Redaktion geändert