Ein scheuer Chef auf dem Schleudersitz

Seit einem Jahr ist Ayyub Axel Köhler der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime. Kritiker bezeichnen den Nachfolger des charismatischen Nadeem Elyas als „Marionette“ und prophezeien den baldigen Amtsabtritt des 68-jährigen Geophysikers

AUS BERLIN CIGDEM AKYOL

Wie ein religiöser Eiferer sieht er nicht aus. Mit Glatze, dünnrandiger Brille, Fliege und Nadelstreifenanzügen verkörpert Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), einen eleganten Lebensstil. Der 68-jährige Geophysiker schaut eher wie ein gemütlicher Salonbesucher aus. Bei öffentlichen Auftritten wirkt er schüchtern und etwas verlegen. Seit einem Jahr nun ist der Deutsche Vorsitzender des ZMD mit Sitz in Köln.

Die Bezeichnung täuscht

Der ZMD vertritt muslimische Vereinigungen verschiedener Herkunftsnationen, unter anderem aus Bosnien, Albanien und der arabischen Welt. Die imposante Bezeichnung „Zentralrat“ täuscht. In Wahrheit repräsentiert der Verband nur einen Bruchteil der 3,5 Millionen Muslime in Deutschland. Nach Schätzungen der Islamexpertin Ursula Spuler-Stegemann von der Universität Marburg werden „höchstens 1 bis 2 Prozent der hiesigen Muslime“ vom ZMD vertreten. Dessen Positionen sind durchaus umstritten. So werfen ihm Kritiker vor, er habe sich bislang nicht eindeutig von der Scharia oder der Steinigung distanziert und teile nicht die westliche Vorstellung der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Köhler sei nicht die erste Wahl gewesen, erklärt ein Kenner der Szene, der nicht genannt werden will. Tatsächlich gab es im ZMD einen bekannten Gegenkandidaten: Ibrahim El Zayat von der Islamischen Gemeinschaft präsentiert sich als liberaler Muslim. Aber der Verfassungsschutz ordnet seine Gemeinschaft dem islamisch-extremistischen Umfeld zu. Daran scheiterte seine Ernennung.

Auch an Köhler scheiterte El Zayat schon einmal. Als er sich um das Amt des Generalsekretärs bewarb, wurde sein Konkurrent ernannt. El Zayat will davon nichts wissen. Es habe keine Rivalitäten gegeben, nur Meinungsverschiedenheiten. Spricht man Köhler darauf an, lenkt er ab.

Ein schweres Erbe

Köhler konvertierte 1963 als Student zum Islam. Der Konvertit war Mitbegründer der ZMD-Vorgängerorganisation „Islamischer Arbeitskreis“. Auch an der Gründung des Zentralrats 1994 war er beteiligt und amtierte seit 2001 als dessen Generalsekretär. 2006 wurde er dann zum Nachfolger des aus Mekka stammenden Nadeem Elyas gewählt.

Ein schweres Erbe. Denn Elyas, Spross einer saudischen Gelehrtenfamilie, leitete den ZMD elf Jahre und war äußerst populär. Der Sunnit inszenierte seine öffentlichen Auftritte und saß auffallend häufig in TV-Talkrunden. Ganz anders als sein scheuer Nachfolger, der lieber im Hintergrund steht. Das Charisma seines Vorgängers fehlt Köhler. Der Zeitpunkt seines Amtsantritts machte es ihm auch nicht leichter.

In islamischen Ländern brannten dänische Flaggen, aufgebrachte Demonstranten stürmten Botschaften. Als ein „Wechselbad der Gefühle“ beschreibt Köhler die Zeit. Er habe damals drastisch abgenommen und habe sich von den Medien belagert gefühlt. Der Bedarf an Erklärungen war enorm. Köhler verurteilte die dänischen Karikaturen, lehnte Gewalt aber als „unislamisch“ ab. Wolkige Worte, die er erst auf Nachfrage von sich gab.

Interne Konkurrenz

Ganz anders sein Generalsekretär Aiman Mazyek. Der Medienberater ist immer präsent und äußert sich auch gern ungefragt. Ob Ehrenmorde, Kopftuchdebatten oder verfehlte Papst-Reden: Mazyek redet mit jedem, er hat zu allem eine Meinung. Es entsteht der Eindruck, nicht Köhler ist der Vorsitzende, sondern sein Generalsekretär Mazyek.

So soll es interne Streitigkeiten zwischen den beiden geben. Ein Kenner der Szene berichtet von Konkurrenzkämpfen. „Köhler ist eine Marionette des Verbands. Mazyek versucht ihn aus seinem Amt zu drängen.“ Köhler dementiert die Gerüchte nicht. Darauf angesprochen, schaut er verlegen und lächelt.

Der Name Ayyub ist die arabisch-muslimische Übersetzung für den Namen Hiob. Dieser ist die Gestalt des leidenden Gerechten im Alten Testament. Übersetzt bedeutet der Name Hiob „der Verfolgte“ oder „der Gehasste“.