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Archiv-Artikel

Grüne gegen bloße Brust

Es war eine misslungene Aktion. Noch bevor Jenny Wenhammar ihr Shirt ausziehen konnte, war sie von mehreren Bodyguards zu Boden gezwungen worden. Die meisten Medien berichteten erst gar nicht darüber, dass da gegen die umweltzerstörende schwedische Grubenpolitik protestiert werden sollte. Sie meldeten nur, vier Femen-Aktivistinnen hätten versucht, eine Rede von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt im gotländischen Visby zu stören.

Die Aktion hat Jenny Wenhammar einen möglichen Platz im Reichstag in Stockholm gekostet. Am Montag strich ihre Partei, die schwedischen Grünen (Miljöpartiet de Gröna), sie von der Kandidatenliste für die Parlamentswahl im September. Die insbesondere für eine grüne Partei recht erstaunliche Begründung: Ihre Rolle als Aktivistin sei mit der einer Reichstagskandidatin „schwer vereinbar“.

Die Miljöpartiet war zwar durchaus bekannt, dass ihre langjährige Kommunalpolitikerin Femen-Aktivistin ist. Und man hatte offenbar auch nichts dagegen, als sie beispielsweise im vergangenen Jahr mit bloßer Brust vor der russischen Botschaft gegen die Unterdrückung von Homosexuellen protestierte. Doch für Schwedens Innenpolitik sollen offenbar andere Maßstäbe gelten: Sie habe mit ihrer Aktion die „demokratischen Spielregeln“ verletzt. Viele Medienkommentare haben eine andere Erklärung: Die Grünen, die im Herbst gern erstmals Regierungspartei werden möchten, hätten höllische Angst, als unseriös und nicht „stubenrein“ zu gelten. Das glaubt auch Wenhammar selbst: „Da stecken Feigheit und Unsicherheit dahinter.“

2012 hatte die 42-jährige Künstlerin – verheiratet mit Nuno, Tochter Tasso und Sohn Tiago, wohnhaft im südschwedischen Dorf Kågeröd – von Femen gelesen, „und ich dachte gleich, das will ich unterstützen“: „Die Brust als politische Waffe erschien mir als perfektes Ausdrucksmittel. Ich mag diese Mischung aus Aktionismus und Straßenkunst.“ Die Grünen hätten ihr jetzt ein Ultimatum gestellt: Parlament oder Femen. Eine Wahl, die sie verweigert habe: „Demokratie beruht auf dem Kampf von Aktivisten.“ Und sie wundert sich: „Warum hat die Partei nicht die Wähler entscheiden lassen?“ REINHARD WOLFF