: Welcome ohne Extra-Steuer
taz-Serie „Koalition unter der Lupe“ (Teil 3): In der Wirtschaftspolitik einigt sich Rot-Rot darauf, die Unternehmer nicht zu belasten. Erhöhung der Gewerbe- oder Einführung einer Touristensteuer tabu
VON RICHARD ROTHER
In Verträgen ist oft nicht das interessant, was drinsteht, sondern das, was nicht formuliert ist. Das trifft auch auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Linkspartei.PDS zu – vor allem in seinem Wirtschaftskapitel. Während die Koalitionäre die Grundsteuer erhöhen und so auch Mieter belasten, fehlen im Bereich der Wirtschaft Ideen, wie das finanzschwache Land Mehreinnahmen erzielen könnte: Eine Erhöhung der Gewerbesteuer wird ebenso wenig erwähnt wie die Einführung einer Touristensteuer.
Die Koalitionäre begründen die Beibehaltung der Gewerbesteuer, die in Berlin niedriger ist als in Potsdam, mit möglichen Wettbewerbsvorteilen der örtlichen Wirtschaft. Ein Unternehmer, der sich in der Hauptstadtregion niederlassen will, könnte sich so eher für Berlin entscheiden, so ihre Hoffnung. Tatsächlich macht die Gewerbesteuer aber nur einen sehr geringen Anteil der Kosten eines Betriebes aus – einziger Grund für eine Standortentscheidung für oder wider Berlin ist sie nicht.
Für die Nichterhöhung der Gewerbesteuer gab es von den Berliner Wirtschaftsverbänden Beifall, die Gewerkschaften wollen am Montag ihre Position dazu bekanntgeben. Grundsätzlich gebe es aber im Koalitionsvertrag in der Wirtschaftspolitik viele positive Ansätze, so DGB-Sprecher Dieter Pienkny. „Dass sich der neue Senat ausdrücklich zum Industriestandort Berlin bekennt, ist ein Fortschritt.“ Auch die angekündigte Rekommunalisierung der Wasserbetriebe sei richtig. „Aber man muss abwarten, was sich hinter dieser Formulierung verbirgt.“ Der Verkauf öffentlicher Unternehmen habe keinen Erfolg gebracht.
Als einen Wachstumsbereich haben die Koalitionäre die Tourismuswirtschaft ausgemacht, aber sie verzichten auf die Einführung einer Touristenabgabe, wie sie etwa von den Grünen immer wieder gefordert wird. Mit einer solchen Abgabe müsste – wie in anderen Städten oder Kurorten üblich – der Tourist je Übernachtung beispielsweise 1 Euro zahlen; die Beherbergungsstätten hätten dieses Geld einzutreiben. Einerseits könnte eine solche Abgabe zusätzliche Millioneneinnahmen für Berlin bringen, zumal wegen dieses Betrages kein Tourist nicht nach Berlin reisen würde. Andererseits wäre die Einführung mit einem großen bürokratischen Aufwand verbunden – und sie würde das nicht gerade imagefördernde Bild in die Welt senden, Berlin wolle seine Touristen schröpfen. Cleverer als eine neue Steuer wäre also, Touristen weniger offensichtlich ans Portemonnaie zu gehen – etwa durch teurere Angebote im Nahverkehr, die vorrangig Touristen nutzen.
Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen will die Koalition stärker als bisher die regionale Wirtschaft berücksichtigen. Positiv auf eine Vergabeentscheidung sollen sich die Einhaltung von Tarifverträgen und die Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen auswirken. In diesen Zielen war die Koalition jüngst vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestärkt worden.