: Die Tasse ist leer
„An Other Cup“ ist das erste Album seit 28 Jahren von Cat Stevens, der sich nun Yusuf nennt. Es überrascht durch fast völlige Inhaltsleere. Dafür illustriert es sehr treffend, warum Menschen der Religion anheimfallen: als Schutz vor existenziellen Fragen nämlich und nicht etwa als Antwort auf dieselben
VON TOBIAS RAPP
Eigenartig, welche Wege die popkulturelle Wunschproduktion so nehmen kann. Es wäre wirklich gelogen, wollte man behaupten, dass irgendjemand Cat Stevens vermisst hätte. Zum einen war er, von einigen peinlichen Medienauftritten als Repräsentant des britischen Islam einmal abgesehen, so lange von der Bildfläche verschwunden, dass mit einem Comeback ohnehin nicht zu rechnen war. Zum anderen aber waren es genau diese peinlichen Auftritte, die ihn überhaupt noch interessant machten: als er Verständnis für die Fatwa gegen Salman Rushdie zeigte etwa. Oder in einem Interview sagte, die einzige Musik, die der Prophet erlaube, werde mit Trommeln gemacht, Gitarrensaiten seien Teufelszeug. Being Cat Stevens, wie mag sich das wohl anfühlen?, fragte man sich dann: Wie kommt man so verstrahlt drauf?
Sobald ein älterer Herr wie Stevens dann aber ankündigt, wieder zu ebenjener Gitarre greifen zu wollen, beginnt die Sehnsucht den Himmel mit ihren Suchscheinwerfen abzusuchen. Her mit der Weisheit der legendären Typen! Nun ist „An Other Cup“ (Polydor/Universal) da, das erste Studioalbum von Yusuf Islam (so nennt Herr Stevens sich seit 1979) seit 28 Jahren und es ist tatsächlich eine interessante Platte geworden – wenn auch nur deshalb, weil sie auf eine sprechende Art und Weise vollkommen nichtssagend und leer geworden ist.
Elf Songs umfasst die Platte, die davon handeln, dass man nachts nicht in die Stadt gehen sollte, dafür tagsüber in den Wald, in denen ständig irgendjemand in das eigene Leben tritt, das dann verwandelt wird. Elf Stücke, die in ihrer umfassenden Harmlosigkeit schön illustrieren, warum Menschen dem religiösen Glauben anheimfallen: als Schutz vor existenziellen Fragen nämlich und nicht etwa als Antwort auf dieselben, wie sie es sich selbst (und anderen natürlich!) gerne einreden.
Nun ist es ja nicht so, dass Cat Stevens nichts erlebt hätte, was sich künstlerisch durcharbeiten ließe. Im Gegenteil. Aufmerksamkeitsökonomisch gesprochen gibt es diese Platte genau deshalb. Wegen dieser Karriere, ihres Anfangs, ihres Endes und dem, was folgte. Als Kind einer griechisch-schwedischen Einwandererfamilie wächst Steven Georgiou in London auf, hat mit „I Love My Dog“ 1967 seinen ersten Riesenhit, als er 19 ist, wird Teil der heißlaufenden Star-Maschine jener Tage und ist auf großer Tour mit den Walker Brothers, Jimi Hendrix und Engelbert Humperdinck.
Das strengt ihn aber so sehr an, dass er schwer an Tuberkulose erkrankt und knapp am Tod vorbeischrammt. Für die drei Platten, die 1970 und 1971 folgen, „Mona Bone Jakon“, „Tea For Tillerman“ (auf der sich auch der Überhit „Morning Has Broken“ findet) und „Teaser And The Firecat“, erfindet sich Stevens neu: als Singer/Songwriter, dessen Erfolg zum einem auf seinen wunderbaren Songwritingfähigkeiten beruht – und zum anderen darauf, dass er das Kuschelbedürfnis der Hippies anzueignen weiß, ohne es mit der Hippie-Widerspenstigkeit zu verbinden. Damit kann man 1971 eine Menge Geld verdienen. Auf dem Erfolg dieser Platten segelt Stevens dann noch ein paar Jahre durch die Siebziger, beginnt sich mit den verschiedensten Aspekten von Spiritualität und anderem Geisterglauben zu beschäftigen, bis er 1975 fast im Pazifik ertrinkt. Daraufhin tritt er zum Islam über, lässt es mit dem Musizieren bald ganz und wird Yusuf Islam.
Für sich genommen ist das eigentlich schon interessant genug: Denn irgendetwas muss jene Zeit ihren Stars angetan haben. Darüber würde man gerne auch heute noch mehr erfahren. Cat Stevens ist schließlich nicht der Einzige, der sich aus der Sinnsuche nach dem ersten Erfolg eine zweite Karriere macht. Scott Walker macht es einige Erfolgsetagen tiefer genauso – sein diesjähriges Album „The Drift“, ebenfalls nach vielen Jahren der Pause entstanden, dürfte in seiner düsteren Rätselhaftigkeit der große Gegenentwurf zu „An Other Cup“ sein.
Cat Stevens scheint sich darauf verlegt zu haben, sein Leben zu verrätseln und seine Musik an der offensichtlichsten Oberfläche zu halten. Denn er trat ja nicht nur zum Islam über und wurde einer der wichtigsten britischen Repräsentanten dieser Religion. Wenn man die parallel zu „An Other Cup“ erschienene Biografie des Österreichers Albert Eigner liest („Cat Stevens, Yusuf Islam“. Hannibal Verlag, 260 S. 22,90 Euro), gewinnt man den Eindruck, als wären es vor allem die so bizarren wie harschen Regeln gewesen, die Stevens dazu brachten, Yusuf zu werden: die untergeordnete Rolle etwa, die Musik in einem islamischen Leben spielen darf. Die starren Bestimmungen, dass in der Musik nur Chorstimmen und Trommeln erlaubt seien.
Doch von den Abgründen, die ein solches Regelwerk zu überbrücken hilft, hört man auf „An Other Cup“ nichts, genauso wenig wie von den Konflikten, in die es einen zweifelsohne auch führen kann. Man muss sie sich selbst dazu denken. Die ganze Platte verhandelt überhaupt keine Erfahrungen. Wenn überhaupt, spiegelt sie in ihrer Glattheit einen permanenten Prozess des Sich-Abdichtens gegen Erfahrungen wider.
Der schwarze Blues-Sänger Robert Johnson war es, der die wichtigste Geschäftsbeziehung der populären Musik einführte: er verkaufte seine Seele an den Teufel und bekam dafür Freiheit, Kunst und Genuss. Being Yusuf Islam kann man sich genau andersherum vorstellen: Hier ist jemand Allah begegnet, doch in diesem Fall gab der Sänger Freiheit, Kunst und Genuss hin, um dafür ein Leben in Sicherheit zu bekommen.