: Feuerwehr probt „Rendezvous“
■ Testphase für „Noteinsatzfahrzeug“ / Skepsis bei Sanitätern und Ärzten Von Kai von Appen
Ein knallroter schnittiger Feuerwehrwagen läßt in Hamburgs Westen Passanten staunen. Das neue „Noteinsatzfahrzeug“ (NEF), das von der Hamburger Feuerwehr zur Zeit getestet wird, ist kein herkömmlicher Krankenwagen, sondern ein mit viel Gerätschaft ausgestatteter Kleintransporter. Ein Notarzt kommentiert skeptisch: „Ob die medizinische Qualität der Unfallrettung gehalten werden kann, muß die Testphase ergeben.“
Feuerwehrchef Dieter Farrenkopf hat den NEF-Versuchslauf angeordnet. Durch dessen Einsatz hofft die Innenbehörde, Kosten bei der Anschaffung der über 100.000 Mark teuren Notarztwagen (NAW) sowie Rettungspersonal einzusparen. Nach – erfolgreicher – Testphase soll das herkömmliche Unfallrettungswesen in Hamburg dem bereits auf dem platten Land praktizierten „Rendezvous-System“ weichen.
Und das sieht so aus: Während in Hamburg bei Unfällen mit Schwerverletzten oder -kranken zunächst der Rettungswagen (RTW) mit zwei Sanitätern anrückt, um die „Basisversorgung“ vorzunehmen, folgte bisher einer der sieben in Hamburgs Krankenhäusern stationierten Notarztwagen für die intensivmedizinische Versorgung. Im Einsatz sind darin vier Rettungssanitäter und ein Notarzt oder eine Notärztin. Der Verletzte wird dann im mit modernster Technik ausgestatteten NAW ins Krankenhaus transportiert. Aus Sparzwang soll der NEF nun den NAW ersetzen. Die Rettungswagen-Besatzung erledigt weiterhin die Erst- und Basisversorgung, bis der Notarzt und ein Rettungssanitäter im roten Flitzer mit der Aufschrift „Notarzt“ zum Unfallort kommen.
Der verfügt zwar auch über alle wichtigen Gerätschaften der Intensiv-Notfallmedizin – Wiederbelebungs-, Herz-Kreislauf- und Beatmungsgeräte sowie Infusionen und Medikamente –, die Apparaturen sind allerdings im Heckteil verstaut und müssen bei Bedarf in den Rettungswagen umgeladen werden. Bei etwa zehn Einsätzen pro Tag – wie im AK Altona – ist das ein ständiges Hin- und Hertragen. Und an den vier Koffern – „Basis“, „Baby“, „Chirurgie“ und „Tox“ (Gift) – hat ein Notarzt ziemlich zu schleppen. Der Patient wird dann vom Notarzt im RTW behandelt und ins Krankenhaus transportiert – im Schlepptau der NEF. Fraglich ist, ob so etwas auf Dauer praktikabel ist. So müßte zum Beispiel der Unfallwagentreck mehrfach anhalten, falls der Notarzt weitere Geräte aus dem NEF braucht.
Überhaupt ist das Arbeiten für den Notarzt beim „Rendezvous“-System komplizierter: Weil der RTW wesentlich kleiner ist als der Notarztwagen, müssen Ärzte und Sanitäter beengter arbeiten – eine enorme Umstellung für viele MedizinerInnen.
Ob mit dem NEF ein Spareffekt erzielt wird, ist ebenfalls mehr als fraglich. In der Feuerwehrzentrale ist es ein offenes Geheimnis, daß beim „Rendezvous“-System die Hamburger RTW umgerüstet oder durch größere Fahrzeuge ersetzt werden müssen. Denn in den jetzigen Fahrzeugen können die Ärzte oftmals nicht aufrecht stehen. So wäre der einzige Effekt die Einsparung eines Sanitäters. Dessen Aufgaben wie das Bedienen des Funkgerätes oder das Lotsen zum Unfallort müßte der Notarzt übernehmen, der sich bislang während der Fahrt auf seine Notfallmaßnahmen vorbereiten konnte.
Und selbst in der Geschwindigkeit bringt der NEF keine Vorteile. Auch er muß an roten Ampeln abbremsen, und wenn die Straßen dicht sind, kommt er nicht schneller voran als der NAW. Im Gegenteil: Während der herkömmliche Notarztwagen an einer Kreuzung sofort als Rettungsfahrzeug erkannt wird, werden die kleinen roten Transporter – wenn sie hinter einem Rettungswagen fahren – oft nicht mehr als Einsatzfahrzeug wahrgenommen. Und im Winter hat der große NAW natürlich eine wesentlich bessere Bodenhaftung.
Trotz aller Skepsis versuchen alle Beteiligten, die Testphase unvoreingenommen zu durchlaufen. Bis zum 11. Spetember ist das Noteinsatzfahrzeug noch im AK Altona stationiert, danach geht–s in die AK Barmbek und in die Uni-Klinik Eppendorf.
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