: Protest gegen Panorama-Killer
■ FischmarktanwohnerInnen wehren sich gegen Elbrandbebauung / Investoren stellten Bauantrag / Maulkorb für Architektenbüro Von Marco Carini
Als wär's ein Stück von Christo: Am Samstag verhüllten AnwohnerInnen des Hamburger Fischmarktes die ehemalige Schiffsmaschinenfabrik „Groth und Degenhard“ mit weißen Leinentüchern. Sichtbarer Protest dagegen, daß das „denkmalgeschützte Gebäude-emsemble“ in Zukunft im Schatten eines Bürokolosses stehen könnte, mit dem das Elbufer zugepflastert werden soll.
Ab Frühjahr 1996 will die Investorengruppe Büll & Liedtke auf beiden Seiten des denkmalgeschützten Holzhafens für rund 250 Millionen Mark zwei Büroklötze aus dem Boden stampfen: 33 Meter hoch und jeweils rund 100 Meter breit. Am vergangenen Donnerstag reichten Büll & Liedtke einen entsprechenden Bauantrag in der Altonaer Bauprüfabteilung ein.
Was viele AnwohnerInnen von dem Neubau-Doppelpack halten, machten sie auf einem Workshop zum Bebauungsplan Altona-Altstadt 21 am Freitag abend in der Schule Carsten-Rehder-Straße deutlich. Einhelliger Tenor auf der Veranstaltung, bei der auch Oberbaudirektor Egbert Kossak von der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) und Altonas Bezirksamtschef Hans-Peter Strenge auf dem Podium saßen: „Wir wollen nicht in der zweiten Reihe im Schatten dieser Bürokomplexe leben“. Nach dem Neubau des Dienstleistungs-Doppelpacks, der das benachbarte Fährterminal noch um Meter überragen werde, sei die Elbe selbst vom höhergelegenen Altonaer Grünzug nicht mehr zu sehen – Panorama-Blick ade.
Besondere Wut löste bei den meisten der rund 80 Workshop-TeilnehmerInnen die Tatsache aus, daß „dieser Komplex geräuschlos, ohne jede Bürgermitsprache durchgezogen werden soll“. So war dem Architektenbüro „Planerkollektiv“, das mit städtischen Mitteln einen alternativen Bebauungsplan „Altona/Altstadt 21“ für die AnwohnerInneninitiative erstellen sollte, von Kossaks Steb untersagt worden, Alternativen zu der umstrittenen Hafenrand-Bebauung zu entwickeln.
Der Grund: Die Bebauung der Elbrandflächen mit rund 35.000 Quadratmetern Nutzfläche ist Büll & Liedtke bereits vertraglich von der Stadt versprochen worden; als Ausgleich dafür, daß die Großinvestoren vor zwei Jahren im Streit um die Bebauung des Jüdischen Friedhofs in Ottensen (Hertie-Quarree) einer verkleinerten Kompromißlösung zugestimmt und durch den Konflikt erheblich Zeit verloren hatten. Kossak: „Es gibt für die Stadt keine Möglichkeit, von diesem Vertrag zurückzutreten“.
Doch die AnwohnerInneninitiative „Leben und Arbeiten am Hafenrand“ stört die massive Elbrandbebauung mehr als die zahlreichen kleinen Bauprojekte, die im Rahmen des neuen Bebauungsplans zwischen der Großen Elbstraße und der Palmaille geplant sind. Ein Anwohner: „Die Elbe gehört nicht Büll & Liedtke“.
Durch den Deal mit der Investorengruppe hätte die Steb jedoch Fakten geschaffen, die jede Beteiligung der BürgerInnen, aber auch der gewählten VolksvertreterInnen, zur Farce machen würden. Zwar sei, so Bezirkschef Strenge, der Senat „politisch frei, die geplante Elb-rand-Bebauung erheblich zu reduzieren“, doch würden dadurch erneut millionenschwere Schadensersatzforderungen von Büll & Liedtke auf die leeren Stadtkassen zurollen. Kein Wunder also, daß für Kossak „die Sache“ bereits „entschieden“ ist.
Für Saskia Ruth von der AnwohnerInneninitiative ist es hingegen ein Skandal, daß die BürgerInnen sich zu den Hafenrand-Planungen „nicht äußern“ dürfen. Knapp 4.000 Unterschriften hat die Initiative gegen die wuchtigen Bauten bereits gesammelt. Sie werden den PolitikerInnen spätestens auf der öffentlichen Bebauungsplan-Diskussion am 26. September im Altonaer Rathaus präsentiert werden.
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