: „Zwei Minuten“
■ Gegen die Einbahnstraße gefahren: Fahrradkurier gegen sieben Polizisten
Abrupt endete gestern eine Dienstfahrt des Fahrradkuriers Erik Sterna, 25: An der Ecke Poolstraße/Kurze Straße am Großneumarkt riß es ihn mit einem Ruck vom Rad. Aus dem Griff des Polizisten, der ihn im Nacken festhielt, gab es kein Entkommen. Sein Verbrechen: Sterna hatte am Nachmittag die Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung befahren, um die Lieferzeit für seine Briefe abzukürzen.
Der auf frischer „Tat“ Ertappte hatte keinen Ausweis dabei, also wollte ihn der Polizist zwecks Feststellung der Personalien zur Wache mitnehmen. „Damit war ich sofort einverstanden“, schilderte Sterna hinterher. Er hatte nur einem Kurier-Kollegen über Funk noch benachrichtigen wollen, damit dieser die Briefe abhole, „das hätte zwei Minuten gedauert.“ Der Polizist legte dieses Zögern allerdings als Widerstand gegen die Staatsgewalt aus. Es kam zu einer Rangelei. Der Kurier konnte über Funk gerade noch einen Notruf an seine Kollegen absetzen. Der Staatswächter forderte nun seinerseits per Funk Verstärkung an: zwei Streifenwagen und sechs weitere Polizisten. „Sie haben mir sofort Handschellen angelegt, mich über den Asphalt geschleift und ins Auto gedrückt“, so Sternas Schilderung. Als „unangemessen brutal“ schilderten auch andere Zeugen, die in einer angrenzenden Kneipe alles verfolgten, den Polizeieinsatz. Im nahegelegenen Polizeirevier am Großneumarkt wurde Kurier Sterna in eine Zelle gesteckt, während sich vor der Wache 15 weitere Kuriere versammelten, um zu erfahren, was mit dem Kollegen geschehen sei. Doch erst als ein Kurier den Polizeibeamten mit Dienstaufsichtsbeschwerde und der Presse drohte, sei der Umgangston „auf einmal sehr freundlich“ geworden. Nach kurzer Personalienüberprüfung ließen die Polizisten den inzwischen völlig verstörten „Gefangenen“ wieder frei. Der will jetzt prüfen, ob und welche rechtlichen Schritte er gegen die Polizisten einleiten kann. Die Polizei war gestern noch nicht in der Lage, zu dem Vorfall Stellung zu nehmen. Ludger Hinz
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