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Verein zur Pflege des rosaroten Teils der Welt

■ In sechs Jahrzehnten wandelte sich das Commonwealth vom Empire-Verbund zum Forum für Kritiker von Diktatoren. Großbritannien spielt nur eine Nebenrolle

Es gab eine Zeit, da war die Welt des britischen Schulkindes in zwei Sorten Länder geteilt. Die einen waren auf der Karte rosarot; in ihren Landesflächen fanden sich aussprechbare Namen und eine reiche, mit liebevollem Heimatstolz dargebotene Palette von Provinzen, Ortschaften und Verkehrswegen. In den anderen herrschte obskures fremdsprachiges Chaos; man mußte sich selten mit ihnen befassen, denn in der ersten Kategorie befanden sich schon alle für den angehenden Briten wichtigen Lebensformen der Erde. Die erste Ländergruppe war das britische Commonwealth, etwas früher noch das britische Empire. Die zweite war der Rest der Welt.

Das hat sich geändert, da die Geschichte inzwischen unbritische Wege geht. Aber das Commonwealth gibt es immer noch. Es lebt und gedeiht, hält an diesem Wochenende in Neuseeland seinen 30. Gipfel ab und begrüßt die Rekordzahl von 52 Mitgliedsstaaten mit einem Viertel der Weltbevölkerung unter der Obhut der Queen.

Bei dem Treffen handelt es sich keineswegs um den Heimattag eines obsoleten Nostalgievereins, wenn auch die TeilnehmerInnen ihr Beisammensein hauptsächlich ihrer gemeinsamen Vergangenheit verdanken. An den Sitzungen des Commonwealth – theoretisch der Dachverband aller Länder, die in diesem Jahrhundert unter britischer Herrschaft standen – ist weniger das sichtbare Schwinden des britischen Gewichts in der Welt wichtig als der Einflußzuwachs anderer Länder. Nicht John Major, nicht einmal Queen Elizabeth II, sondern der erstmals anwesende Nelson Mandela ist der Star dieses Gipfels.

Brücke zwischen Reich und Arm

Fragt man Commonwealth-Enthusiasten nach Sinn und Zweck ihrer Organisation, bekommt man oft zu hören, es handele sich um ein Nord-Süd-Forum. „Da einige seiner Mitglieder sehr reich sind und andere sehr arm“, so eine inzwischen wieder gestrichene Erkenntnis aus einem älteren Statistischen Jahrbuch der britischen Regierung, „agiert das Commonwealth als Brücke zwischen reichen und armen Nationen.“ Wahr daran ist, daß noch heute zwei Drittel der britischen Entwicklungshilfe in Commonwealth-Staaten fließen.

Sein Leben begann die Organisation aber ganz anders. Gegründet wurde sie 1931 als Verband Großbritanniens mit den Siedlerstaaten des Empire wie Kanada, Australien, Neuseeland oder Südafrika – also als Verband der Reichen. Im Kontext der Weltwirtschaftskrise hieß das, daß sich das Empire zusammen mit den Siedlerstaaten zu einem abgeschotteten Handelsblock zusammenschloß. Als nach dem Zweiten Weltkrieg der Freihandel obsiegte, das Empire zerfiel und die Kolonien zu unabhängigen Staaten wurden, erwies sich das Commonwealth als Auffangbecken zur Wahrung gemeinsamer Traditionen. Die meisten Exkolonien, ob sie den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt anerkannten oder nicht, wurden Mitglieder. Sie verständigten sich vor allem über die Fortentwicklung ihrer britisch inspirierten Rechts- und Verfassungssysteme. Kulturelle Kontakte wurden ebenso gepflegt wie die Aufnahme von Empire-SchülerInnen an britischen Universitäten oder die alle vier Jahre stattfindenden „Commonwealth Games“ – eine Olympiade für den rosaroten Teil der Welt.

Aus dem Verständigungsforum der weißen Eliten wurde eine Dauerveranstaltung zur Pflege des englischen Beitrags zur Weltzivilisation. Daß 1961 Südafrika aus Protest gegen Kritik an der Apartheid austrat, konnte dem Ruf der Organisation nur förderlich sein; Pakistans Austritt 1972 wegen der Aufnahme Bangladeschs blieb eine 1989 wiedergutgemachte Episode. 1990 trat das unabhängige Namibia bei; 1994 beehrte Nelson Mandela die Organisation mit dem Wiedereintritt Südafrikas. Dieses Jahr ist das eher frankophile Kamerun aufgenommen worden, und dem Vernehmen nach bemüht sich sogar Mosambik um die Mitgliedschaft: Die exportugiesische Kolonie ist von anglophonen Ländern umgeben.

Sein politisches Gewicht verdankt das Commonwealth zum guten Teil der Auseinandersetzung mit Apartheid-Südafrika in den 80er Jahren, wo es einen harten Sanktionskurs fuhr. In dieser Zeit legte das Commonwealth die imperialen Eierschalen ab, übernahm jedoch bewußt das Erbe des englischen Liberalismus. Die aktuelle Debatte um Nigeria beweist dies: Vor zehn Jahren noch hätten sich verfolgte Regimegegner wohl kaum an die Nachfolgeorganisationen des britischen Kolonialreiches gewandt, um die Ächtung von Diktatoren einzufordern.

Beim Gipfeltreffen von 1991 in Simbabwes Hauptstadt Harare nahm das Commonwealth eine Zehn-Punkte-Erklärung an, in der es sich die Förderung der Menschenrechte sowie good government in den Mitgliedsländern zum Ziel setzte. In seinem Bericht an den diesjährigen Gipfel fordert Commonwealth-Generalsekretär Chief Emeka Anyaoku – ein Nigerianer – „Handeln“ in bezug auf solche Mitglieder, die sich nicht an diese Prinzipien halten, also die drei Militärdiktaturen Nigeria, Gambia und Sierra Leone. Dies sei „notwendig für die Glaubwürdigkeit der Organisation“.

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