: Billwerder-Ost wie Bismarcks Ebenbild
■ Kossak droht den Abschied von der "Vision der Siedlung" an
Aus der Ferne und vor Fremden, die sich auf den ihnen präsentierten Bildausschnitt verlassen müssen, läßt sich leicht mit Heimerfolgen prahlen. Die Gunst der widerspruchsfreien Stunde nutzte der Dortmunder Peter Zlonicky, Uni-Professor für Raumplanung und wissenschaftlicher Direktor der Internationalen Bauausstellung EmscherPark (IBA): Am Montag beim Hamburger Architekturgespräch in der Freien Akademie der Künste pries er die jüngsten Bauprojekte entlang der Ruhrgebiets-Kloake als leuchtendes Vorbild für die geplante Siedlung Billwerder-Ost. Im Vorzeige-Projekt Gelsenkirchen-Bismarck, so Zlonicky, sei es gelungen, ein neues Zentrum mit „dichtem Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe“ zu schaffen.
Das würde ihm Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak in Billwerder-Ost zu gern nachmachen. Gegenüber von Allermöhe-West und nördlich der Bahnlinie sollen in direkter Nachbarschaft 3000 neue Wohnungen und auf 30 Hektar Gewerbe entstehen. Doch während Wohnungsbau über Förderauflagen, Architektenauswahl oder Geschoßflächenzahl-Vorgaben steuerbar ist, sucht Kossak verzweifelt nach der Garantie für Gewerbeansiedlung. „Darauf ist beim Verkauf der Flächen zu achten“, empfahl Zlonicky.
Gute Erfahrungen habe er auch mit „Qualitätsvereinbarungen“ gemacht: Alle Beteiligten verpflichten sich dabei zu bestimmten sozialen, ökologischen und ästhetischen Standards. Trotz ihrer Freiwilligkeit würden die Verträge eingehalten, „wozu auch die Presse beiträgt“. Daß sich deren „Kontrollfunktion“ oftmals auf das Ablichten lächelnder Vertragspartner beschränkt und selbst über die Nicht-Einhaltung der vereinbarten Inhalte anschließend keine Zeile verloren wird, schien Zlonicky entfallen zu sein.
Oberbaudirektor Kossak machte auf lernfähig: Die Fehler der „städtebaulich zufriedenstellenden, architektonisch aber umstrittenen“ Baustellen Allermöhe I und II sollten nicht wiederholt werden. Sprach's und widersprach sich: Denn laut Kossak bleibt zwei- bis viergeschossige Bauweise „Trumpf“, eintönig roter Ziegel auch, und von der „Vision der Siedlung“ habe man sich ganz bewußt zugunsten der „Vision der Vorstadt“ verabschiedet. Kossak kündigte ernsthaft an, weitere triste Wohn-Ghettos ohne jeglichen städtischen Charakter wie Allermöhe für die unglückliche Familie mit dem garantierten Psycho-Spät-Knacks verbrechen zu wollen.
Für den geplanten Stadtteil Billwerder-Ost haben bereits vier von der Stadt beauftragte Planerbüros Entwürfe eingereicht, von denen einer im Dezember Planungs-Grundlage wird. Als Favorit des Bezirks Bergedorf und der Stadtentwicklungsbehörde gilt der Vorschlag des Münchner Architekten-Büros Steidle und Partner, das in Hamburg u.a. den Gruner + Jahr-Komplex an den Baumwall klotzte. Danach soll das Gebiet in mehreren Phasen bebaut werden, um Grünflächen flexibel gestalten zu können. Die Siedlung würde mit nur einer Hauptstraße verkehrsarm angelegt und Fleete wären die prägenden Elemente.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen