: Selbstverwirklichung mit Hürden
■ Frauen, die ein gemeinsames Wohnprojekt planen, brauchen einen langen Atem Von Heike Haarhoff
Mitbewohnerinnen, die auch mal ganz unbürokratisch Nachbarskinder betreuen, preisgünstige Mieten in einer Wohnung, die nach den eigenen Bedürfnissen geplant wurde und die Erkenntnis, daß die traditionelle Kleinfamilie nicht für jede das ultimative Lebensglück bedeutet: Es sind recht gewöhnliche Wünsche, die sich Frauen erfüllen wollen, wenn sie ein gemeinsames Wohnprojekt planen. Und dennoch „brauchen sie ein enormes Standvermögen, wenn sie die vielen Hürden bis zur Verwirklichung nehmen wollen“, sind die Erfahrungen der Hamburger Architektin Beata Huke-Schubert.
18 Frauen und sechs Kinder mit dieser enormen Ausdauer feierten gestern nach sechsjähriger Warte- und Planungszeit Richtfest ihres Wohnprojekts Olga Rabiata in der Fischersallee in Ottensen. Ihre 690 Quadratmeter Riesen-Wohnung – sie gehört zur Genossenschaft Ottenser Dreieck – wurde im ersten Förderweg des sozialen Wohnungsbaus gefördert, der Verein Rotznasen wird beim Einzug im kommenden Sommer eine Kita mit 60 Plätzen in dem Gebäude eröffnen.
Olga Rabiata ist nur das erste einer Reihe von Frauenwohnprojekten, die in absehbarer Zeit realisiert werden sollen: Allein auf der Zeisewiese sind zwei Häuser für jeweils rund 20 alleinerziehende (rosalilalottaburg) bzw. ältere Frauen (Arche Nora) geplant.
„Die Nachfrage nach alternativen Wohnformen steigt. Das muß im sozialen Wohnungsbau endlich berücksichtigt werden“, forderte am Mittwoch bei einer ExpertInnen-Anhörung zum Thema Wohnen im Bezirk Mitte Stattbau-Geschäftsführer Reiner Schendel, und beklagte die „starre Bürokratie“: „Ein Paragraph-5-Schein berechtigt eine Einzelperson nur zu einer 50-Quadratmeter-Wohnung, nicht aber zum Einzug in eine 200 Quadratmeter große mit weiteren vier Personen.“
Behindert werde auch oft das gemeinsame Planen mit den künftigen BewohnerInnen: „Dabei müßte der Stadt doch klar sein, daß eine hohe Wohnzufriedenheit zur Identifikation und Stabilisierung des Stadtteils beiträgt“, sagte der Soziologe Jens Dangschat. Durch alternative Planung, Flexibilität bei Grundrissen und Selbsthilfe ließen sich außerdem „zwischen zehn und 25 Prozent der Baukosten einsparen“, machte Huke-Schubert verlockende Angebote. Doch die Baubehörde, an deren Adresse sich diese uralten Forderungen richten, war zum Hearing vorsichtshalber gar nicht erschienen.
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