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Dürre Phrasen

■ Behörden verweigern finanzielle Absicherung für Obdachlosen-Restaurant

Die flammendsten Redner entpuppen sich als laue Phrasendrescher, sobald man sie beim Wort nimmt. Unübertrefflich schien während der „Altonaer Aktionstage Obdachlosigkeit“ das Engagement Hamburger PolitikerInnen für das Restaurant-Projekt „Zum Zinken“ der Jugendhilfe Ottensen.

Samstag nun ging die unbedachte Woche zu Ende und damit auch die Solidarität: „Wir von der Sozialbehörde“, besinnt sich eine ernüchterte Helgrit Fischer-Menzel ihres Haushaltslochs, „können die finanzielle Absicherung nicht gewährleisten.“ Auch die ABM-Garantie für zwölf ausbildungs- und arbeitslose Frauen, die sich durch die Restaurant-Tätigkeit zu Fachgehilfinnen im Gastgewerbe qualifizieren könnten, möchte die Senatorin lieber auf andere Träger abwälzen: „Es wurde viel gespendet, da müßte das doch auch anders klappen.“

Paul Pauksch von der Jugendhilfe Ottensen ist weniger optimistisch: „Die Spenden reichen bei weitem nicht. Es muß noch in diesem Jahr eine politische Entscheidung für das Projekt geben, ansonsten verfällt das günstige Mietangebot an der Ecke Kleine/Große Rainstraße, und wir können neue Räume suchen“, sagt der Initiator des außergewöhnlichen Lokals. Obdachlose und „gut Betuchte“ sollten hier an einem Tisch sitzen und sich – dank gestaffelter Preise – die gleiche Mahlzeit leisten können. Doch dazu bedarf es einer Kapitalspritze von 400.000 Mark.

Pauksch fände es „schizophren“, sollte die integrative Idee trotz der positiven Resonanz während der Aktionstage scheitern: In dem provisorischen Zelt „Zum Zinken“ am Altonaer Bahnhof wurden täglich bis zu 150 Mahlzeiten verkauft, rund 1 000 Mark Umsatz gemacht: „Anders als in den meisten Stadtteilen ist in Ottensen die Akzeptanz für ein solches Restaurant da.“

Mitte Dezember werden die beteiligten Vereine eine – auch finanzielle – Bilanz der Aktionstage ziehen. Bestimmt werden sich dann auch Hamburgs politische Größen zu folgenlosen Lippenbekenntnissen hinreißen lassen – ob sie nun Kultursenatorin Christina Weiss, Wissenschaftssenator Leonhard Hajen, Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel oder Bezirksamtsleiter Hans-Peter Strenge heißen.

Heike Haarhoff

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