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Nähe durch verengten Blick

■ Hans Platscheks Essays über Klassiker der modernen Malerei vorgestellt

„Über Malerei kann der Maler nicht reden. Andernfalls würde er nicht malen.“ So zitiert Hans Platschek in seinem am Sonntag in der Hamburger Kunsthalle vorgestellten Buch In Lebensgröße den britischen Maler Francis Bacon. Doch nicht nur der englische Kunststar widerlegt sich im folgenden über seine Kunst sprechend selbst, auch der Autor ist Beweis, daß sich bildende Kunst und Wortbildnerei nicht ausschließen: Ist der Hamburger doch selbst ein klassisches Beispiel der Doppelbegabung als Künstler und Publizist.

Natürlich steht der 72jährige Platschek nicht mehr im Span-nungsfeld der Diskussion über aktuelle Kunst, in der er nur noch „Verkörperungen der eigenen Zirkulation“ sieht und statt Entwicklung nur Abwicklung, ja „Abdeckereien“. Diese in den Texten beiläufig immer durchscheinende, wertende Verengung des Blicks auf Segmente der Kunstgeschichte ist ärgerlich, ja vergiftet in ihrer Verächtlichmachung noch das Engagement für die elf besprochenen Künstler.

Dennoch bringt der Autor uns die arrivierten Klassiker der modernen Malerei näher, allesamt Künstler seiner Generation. Ob im Hinweis, Ronald B. Kitaj fixiere seine Pastelle mit Speichel, der Anekdote, Antonio Sauras habe sich gerade durch die Lektüre einer Nazi-Schrift zur „entarteten Kunst“ anregen lassen, oder dem Bericht von der rasenden Energie, mit der der Venezianer Emilio Vedova malt – Platschek bringt mit wenig verbalem Aufwand wesentliche Zugänge zur Kunst seiner berühmten Kollegen auf den Punkt.

Die Texte enthalten immer drei Aspekte: Beschreibung des Werks, Dialog mit dem Künstler und Schilderung des Umfelds. In diesem Rahmen sind es oft nur Adjektive oder Halbsätze, die wie nebenbei eine trockene Qualifizierung geben. Da ist ein Spätwerk „entkräftet“ oder ein Bild „könnte etwas intendierter gemalt sein“. Auch Zuspitzungen wie „um 1948 war Volkskunst zunehmend Vico Torriani“ erfreuen, doch für Freunde einer mehr konzeptionellen Kunst und Kunstkritik bietet er nichts.

Im letzten der zwölf Texte lobt er Baudelaires zuwenig beachtete Leistung als Kunstkritiker und legt die Vermutung nahe, hier sein Vorbild gefunden zu haben.

Die appetitlichen Essays sind in den letzten zehn Jahren meist im bunten Kunstmagazin art erschienen. Sie sind süffig zu lesen und machen Hunger auf die Originale, von denen der Anhang mit einer kleinen S/W-Abbildung pro Künstler keine angemessene Vorstellung gibt. Vielleicht wurde hier an das Zitat von Pierre Soulage gedacht: „Ein Bild, das sich gut reproduzieren läßt, ist ein schlechtes Bild“.

Im Text über Asger Jorn zitiert Platschek schließlich einen dänischen Autor: „Je höher eine Tierart steht, desto mehr Unnützes unternimmt sie. Hühner schreiben keine Aphorismen“ – und keine Kunstessays, könnte man hinzufügen.

Kaufempfehlung? Renato Guttoso sagte, der Künstler müsse Türen öffnen. Das tut auch dieses Buch. Das Eintrittsgeld kommt auf 25 Pfennig pro Seite: Vielleicht sollte man den Türöffner doch lieber nur ausleihen. Hajo Schiff

Hans Platschek – In Lebensgröße; Fragen an elf Maler und ein Essay über Charles Baudelaire, Europäische Verlagsanstalt, 135 S., 12 Abb., 34 Mark

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