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Keine Abiturleistungen von ABC-Schützen

■ Justizsenator will Substitution im Knast, mehr Opferhilfe und Drogenhunde

Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) will die ärztliche Versorgung in Hamburgs Gefängnissen privatisieren, kündigte er gestern während der Haushaltsdebatte der Bürgerschaft an. Das könnte für die substituierten Knast-Junkies eine Wende bedeuten, denn erst vorige Woche haben sich die Gefängnisärzte durch eine rigorose Herabsetzung der Methadon-Rationen bei Substituierten schwere Vorwürfe zugezogen: „Kalter Entzug“ und unterlassene Hilfeleistung. Wenn statt Substitutionsgegnern Ärzte von außen – 800 arbeitslose Mediziner gibt es in Hamburg – die Versorgung übernähmen, bestünde Hoffnung für eine realitätsbezogene Drogenpolitik in den Strafvollzugsanstalten.

Aber nicht nur dafür erntete Hoffmann-Riem, seit zwei Monaten im Amt, Beifall von der oppositionellen GAL. Daß auf dem Gelände des ehemaligen KZs Neuengamme noch heute ein Gefängnis steht, nannte der Senator „unwürdig und politisch unerträglich“. Er versprach, die geplante Verlegung endlich voranzutreiben.

Der neue Justizsenator gab außerdem dem GALier und „Kritischen Polizisten“ Manfred Mahr recht, der eine Umverteilung der Mittel für mehr Opferschutz und Prävention verlangte. Man müsse mehr für Haftentlassene tun, so Hoffman Riem. 170 Mark werden für einen Häftling pro Tag ausgegeben. Das ist rund 100 Mark mehr, als ein Platz in einem betreuten Wohnprojekt für Ex-Knackis kostet.

Die Mitarbeiterinnen vom Notruf für vergewaltigte Frauen forderten gestern vehement, die 14 prozentige Kürzung der Mittel für ihr Projekt zurückzunehmen. „Beratung für Opfer von Vergewaltigung oder Chappi für Drogenspürhunde?“ Denn obwohl die Knast-Drogenhunde im Jahr 1995 nur einige wenige Gramm Rauschgift aufgespürt haben, werden für 1996 Gelder für elf weitere Hunde – also eine eigene Staffel – bereitgestellt. Die GAL beantragte deshalb, diesen Posten ganz zu streichen. Cordelia Schneider vom Notruf: „Wartelisten bei suizidgefährdeten Frauen und Mädchen einzurichten, wäre fahrlässig und überdies unterlassene Hilfeleistung“, doch Hoffmann-Riem outete sich als Hundefreund und rechtfertigte die vierbeinigen Spürnasen. Sie hätten deshalb noch nicht viel Rauschgift gefunden, weil sie noch in der Ausbildung seien. „Von ABC-Schützen können Sie nicht Abiturleistungen erwarten“. Silke Mertins

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