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Revoltierende Rhetorik

■ Die afro-amerikanische Jazz-Poetress Sharifa mit spitzfindigen Sprachfiguren

Manchmal verirrt sie sich in der Sprache. Wenn etwa „African“ zu „a free can“ wird, zum freien Mülleimer, dann scheint sie in Tuchfühlung mit den Wörtern Stilblüten zu produzieren. Möglicherweise ist aber genau das ihre Absicht. Das schwarze Selbstbewußtsein, das oberflächlich in dem Stück „Afri“ proklamiert wird, wird so von innen heraus in Frage gestellt und in den Mülleimer geworfen. Zuzutrauen wären der 35jährigen Jazz-Poetress jedenfalls solch spitzfindige Sprachfiguren. Denn obwohl mit Sharifa's Favorite Things ihr erster Tonträger vorliegt, finden sich darin Spurenelemente eines umtriebigen Lebens, das erst spät zu einem passenden Ausdruck gefunden hat.

Der Lebenslauf von Sharifa Kaliq liest sich wie ein Schnelldurchlauf durch die afro-amerikanische Geschichte und deren Strategien. Bereits mit 16 Jahren schloß sie sich der Socialist Worker's Party an. Als sie dann ein Stipendium erhielt, ging es ihr, wie vielen Afro-Amerikanern in den späten 70ern, darum, „einen sicheren Job bei IBM zu ergattern und zwei Wagen in der Garage stehen zu haben“. Doch ihr Job als Kaufhaus-Managerin ließ sich immer schwerer mit ihrem afrozentristischen Engagement verbinden. In der Folge stürzt sie sich in das Studium der Ägyptologie, tritt dem islamischen Sufismus bei und verlegt ihren Schwerpunkt von Revolte auf Rhetorik. Nach der Scheidung von ihrem Mann rutscht sie immer tiefer in die Jazz&Literatur-Szene von Atlanta und wird zuerst Managerin, dann Mitglied von Wordsong, einem Gemeinschaftsprojekt von Poeten und Jazz-Musikern. Mittlerweile lebt Sharifa mit ihrem Kind in Berlin und gilt als Hofpoetin im Dancefloor-Club Delicous Doughnuts.

Zu ihren ersten Solo-Auftritten und Lesungen verhalfen ihr aber Frauengruppen, was angesichts ihrer Themen naheliegend ist. In ihrem Stück „Sisters“ ruft sie etwa zur Solidarität der Frauen auf und zieht eine Linie zwischen der ägyptischen Göttin Isis und Diana Ross. In „Beautiful“ reimt sie über einem epischen Jazz-Stück, wie es John Coltrane in den späten 60ern baute, eine Haßtirade gegen den verqueren Schönheitsanspruch an Frauen: „too conscious for Clairol / too much attitude for Avlon“, heißt es dort.

Aber auch was Rassismus angeht, der über die Eckpfeiler Afrozentrismus und Linderung durch Kultur umkreist wird, hat sie Frauen im Blick. So wendet sie sich entschieden gegen die Rede von der „Wohlfahrtsmutter“ und gibt einer crackabhängigen schwarzen Mutter in einem Wohnprojekt ihre Würde zurück. Auch wenn solche Themen Anlaß zu Klageliedern gäben, hält Sharifa immer ihren lakonischen Ton, der ja immer auch Coolness und Bescheidwissen suggeriert. Gerade durch diesen Tonfall aber führt sie eine Rede ein, die sonst eher Männern vorbehalten bleibt. Volker Marquardt Sa, 16. 12., Kampnagel, 20 Uhr

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