„Zauberinnensind Hexen“

■ Eine hessisch-hamburgische Zauberin in einer wenig zauberhaften Männerwelt Von Polly Schmincke

Allein unter Männern lauscht die junge Studentin dem großen Meister. „Auf die eine Seite nehmt ihr euch eine Hübsche, damit das Publikum was zu gucken hat, und auf die andere eine Ältere, auf deren Kosten man Witze machen kann“ – so begann eine ihrer ersten Lehrstunden bei einem Zaubermeister. Sie blieb dennoch, kämpfte sich durch und qualifizierte sich für die Deutschen Zaubermeisterschaften im kommenden Jahr: Die Wahlhamburgerin Astrid Irmer alias Putzfrau Hertha Schwätzig hat inzwischen ihre eigene Show und einen vollen Terminkalender.

„Wenn ich das machen würde, anstelle von zwei Showgirls – wie bei Copperfield – zwei sexy Männer an meine Seite nähme, würde ich gleich als Superemanze kritisiert und ausgelacht“, schimpft die Kabarettistin und Zauberkünstlerin. Sie zieht ihr Programm allein durch. Aber als Antwort auf zersägte Frauen holt sie sich Männer auf die Bühne, um per Guillotine zu testen, ob sie gut sind – nur die Hände der Bösen trifft die scharfe Klinge. Sie genießt das flache Atmen und das nervöse Lachen der vorher noch so mutigen Männer. „Ach, da passiert doch nichts ... ist doch nur Show ... aber wenn doch ...?“ Die Zauberin kennt die Gedanken der Zuschauer und freut sich ob der Unsicherheit eines zufällig rausgesuchten Baudezernenten, der noch kurz vorher im Rathaus erklärt hatte, daß er Brücken statt dunkler Unterführungen für überflüssig halte und die Angst der Frauen nicht verstehe.

In ihrer Show veralbert die gebürtige Hessin als babbelnde Putzfrau die Tricks der großen Zauberer: Ihr gelingen sie ganz nebenbei ohne Spotlight, Zylinder und Trommelwirbel. So schluckt sie – unter anderem regelmäßig in der Hamburger Zinnschmelze – eine Rasierklinge nach der anderen hinunter und erzählt dabei ganz lässig über die Vorteile der inneren „Abkratzdiät“. Irmer vollbringt ihre Zaubereien nur im Zusammenhang mit den Themen ihres kabarettistischen Programms, nicht um ihrer selbst willen. Die Rasierklingen setzt sie ein, um zu demonstrieren, wie tödlich dumm der gesellschaftliche Schlankheitswahn sei – der Tod mehrerer Frauen durch Diätpillen in diesem Jahr ist ihr makabrer Beweis.

Sie selbst lasse sich ihre Lebensfreude nicht wegen ein paar Pfunden, die andere als zuviel empfinden könnten, nehmen, lacht sie, genüßlich ein frisches Croissant verzehrend. Von Kollegen anerkannt werde sie inzwischen schon, sagt sie, aber es komme immer wieder vor, daß Veranstalter an neuen Auftrittsorten nur ihren Freund Jürgen ansprechen, der sich um Ton und Licht kümmert, bis der dann irgendwann sagt: „Ich bin nur der Techniker“. Manche sind dann so verwirrt, daß sie beharrlich weiter nur mit ihm statt mit ihr reden. „Frauen können doch gar nicht zaubern“, rechtfertigte sich auch ein Händler auf einer Zauberartikel-Messe, der ihr nichts verkaufen wollte, „oder sie sind keine richtige Frau“, bekräftigte er die mittelalterliche Meinung, daß zaubernde Frauen Hexen seien.

„Ist ja ein schönes Hobby, aber ...“, fanden auch ihre Eltern noch vor wenigen Jahren. Inzwischen sind sie stolz auf ihre Tochter, die bei 140 Auftritten allein in diesem Jahr quer durch die Republik die Säle füllte. Astrid Irmer managt sich selbst, macht allein die PR, organisiert, textet, denkt sich Tricks aus. Über Weihnachten will sie mit ihrem Freund neue Lieder produzieren und sich mit anderen Frauen um eine neue Frauen-Comedy-Show kümmern: „Womady“ soll ab Januar auch in Hamburg zu sehen sein.