: Steht neuer Plutonium-Prozeß bevor?
■ Anwälte der verurteilten Plutoniumschmuggler warten ab – Ermittlungen gegen „Rafa“ und BND-Führungsoffizier
Nürnberg (taz) – Bislang haben die spektakulären Aussagen des spanischen Agenten des Bundesnachrichtendienstes, Rafael Ferreras Fernández (alias „Rafa“), noch keine Auswirkungen auf das im Juli in München abgeschlossene Strafverfahren gegen drei Plutoniumschmuggler gehabt. Die Anwälte der zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilten Julio Oroz- Eguia (50) und Javier Bengoechea-Arratibel (61) aus Spanien und des Kolumbianers Justiniano Torres-Benitez (39) verfolgen den Bonner Plutonium-Ausschuß jedoch „mit sehr großem Interesse“. „Für ein Wiederaufnahmeverfahren besteht derzeit noch kein Grund, da müssen wir den Abschluß des Ausschusses abwarten“, betont der Münchner Rechtsanwalt Sewarion Kirkitadse.
Kirkitadse hatte schon während des Zeugenauftritts von „Rafa“ in München angeregt, den BND-V- Mann wegen offensichtlicher Falschaussage noch im Gerichtssaal festzunehmen. Doch das hatten Staatsanwalt Werner Fügmann und die 9. Kammer des Landgerichts vehement abgelehnt. Aus „richterlicher Fürsorge“ hatte Richter Heinz Alert sogar auf eine Vereidigung Rafas verzichtet.
Kurz nach dem Urteilsspruch leitete die Münchner Staatsanwaltschaft dann ein Verfahren wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage nicht nur gegen Rafa, sondern auch gegen den BKA-V-Mann „Roberto“ sowie die BND-Mitarbeiterin „Sybilla“ ein. Auch gegen gegen Rafas Führungsoffizier beim BND, Willy Weitzel (alias „Liesmann“ oder „Adrian“), läuft ein entsprechendes Verfahren.
Oberstaatsanwalt Dieter Emrich will erst das Protokoll des Untersuchungsausschusses abwarten, um dann diese Verfahren voranzutreiben. Zur Frage der Glaubwürdigkeit Rafas will er sich nicht äußern. Da das Urteil „in wesentlichen Teilen“ auf den Geständnissen der Beschuldigten beruht hätte, sieht Emrich keinerlei Grund, das Verfahren noch einmal aufzurollen. Bernd Siegler
SPD verlangt Ermittlungen gegen Schmidbauer
Bonn (dpa) – Die Sozialdemokraten haben staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den Geheimdienstkoordinator Schmidbauer, gegen Mitarbeiter des Kanzleramtes und der Nachrichtendienste gefordert. Der Verdacht, daß sie in Ausübung ihrer Ämter im Zusammenhang mit der Plutoniumaffäre Anstiftung zu schweren Straftaten begangen haben, müsse geklärt werden, sagte der innenpolitische Sprecher des SPD-Parteivorstandes, Ulrich Maurer, gestern in Bonn.
Auch bayerische Behörden geraten zunehmend in Verdacht, in den Plutoniumschmuggel verwickelt gewesen zu sein. Ein Vermerk des bayerischen Kriminaloberkommissars Harald Edtbauer legt die Vermutung nahe, daß Beamte des Landeskriminalamts München an der Schieberei beteiligt waren. In dem Vermerk über eine „Fallbesprechung zum aktuellen Plutoniumangebot“ bei der Staatsanwaltschaft München I heißt es unter anderem: „Für den Fall daß die Probe dem Angebot entspricht, soll der NoeP (Scheinaufkäufer) seine Kaufabsicht deutlich machen und das Material aus Moskau über den Tatverdächtigen beschafft werden. Der Zugriff soll dann in Deutschland erfolgen, wenn die Ware übergeben wird.“ Sollte das radioaktive Material minderwertig sein, aber noch „von einer strafbaren Qualität“, sollte ein Preisnachlaß ausgehandelt werden, so die geplante Vorgehensweise, die mit dem Oberstaatsanwalt besprochen worden sei.
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