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Streicher & Bläser vor der Mauer des Schweigens

■ Vier Millionen für Polizeiorchester: GAL und Statt wollen lieber Polizeibeauftragten

Die GAL-Opposition hatte für die Haushaltsdebatte in der Bürgerschaft am Mittwoch abend fleißig nachgerechnet: Vier Millionen Mark läßt sich Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) das Polizeiorchester im kommenden Haushaltsjahr 1996 kosten. Polizeiskandal hin, Polizeidepressionen her – braucht eine Behörde für Sicherheit und Ordnung wirklich ein hauptamtliches Musikorchester? Nach Ansicht der GAL sollte ein Teil des Geldes lieber für einen unabhängigen Polizeibeauftragten eingesetzt werden. Die Streicher und Bläser in Uniform könnten auch ehrenamtlich zur Erbauung der Beamten und ihrer Freunde beitragen.

Wrocklage hatte vor zwei Monaten nach einer Expertenanhörung verfügt, daß es keinen Polizeibeauftragten geben solle: zu teuer und zu umstritten, denn es könne zu Kompetenzüberschneidungen mit dem Senator oder dem neuen Polizeipräsidenten kommen. Doch nicht nur die GAL will einen Ansprechpartner für Polizeiopfer und Beamte, die „die Mauer des Schweigens“ brechen wollen. Auch Regierungspartner Statt Partei beharrt darauf, Konsequenzen aus dem Hamburger Polizeiskandal zu ziehen. Wrocklage habe aus der Expertenanhörung „die falschen Schlüsse gezogen“, hebt Statt-Chef Achim Reichert den Zeigefinger. Teile der SPD-Fraktion wisse er zudem auf seiner Seite.

Die CDU, die sich inzwischen dem Senat angeschlossen hat, war ursprünglich auch für einen Polizeibeauftragten. Der GALier Manfred Mahr zitierte Karl-Heinz Ehlers von der CDU-Betonfraktion, der noch im Mai bedauerte: „Diese Idee hätten wir – die Dinge etwas sensibler angehend – auch schon vorher haben können. Das sage ich ganz selbstkritisch.“

Die ausgedehnten Ausgaben für die musikalische Polizei sind nach Ansicht der Grün-Alternativen nicht die einzigen Geldausschüttungen an der falschen Stelle. Auch die Kosten-Nutzen-Abrechnung der polizeilichen Hubschrauberstaffel sei nicht von Vorteil. Während der Polizeihubschrauber 4900 Mark pro Stunde kostet, wäre ein angemieteter Hubschrauber für 2000 bis 2500 Mark pro Stunde zu haben. Auch hier ließen sich, so die GAL, durch mehr Effizienz Mittel umschichten. Zum Beispiel für die Feuerwehr, die drastische Kürzungen (119 Stellen) zu verkraften hat.

„Sparzwang und Innere Sicherheit sind vereinbar“, ergriff dann der Innensenator das Wort und hob zur Lobeshymne an. Sein Lieblingswort „Dialog“ muß ihm an diesem Abend allerdings entfallen sein. Mit keiner Silbe ging er auf Vorschläge und Vorwürfe der Parlamentarier ein, sondern spulte seine Rede runter, bis alle eingeschlafen waren. Silke Mertins

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